Ein Leben voller Liebe
die Geschäftskarte auf das Tablett, und Alex schrieb die Nummer ihres Rufgeräts auf die Rückseite.
Vielleicht konnte sie ihm die Entscheidung erleichtern.
»Meines Wissens nach ist den beiden nur wichtig, dass Sie zur Familie gehören.«
Er sah sie an, als könnte er nicht begreifen, wieso das wichtig war. Er stellte allerdings auch keine Fragen.
»Ich sollte jetzt zurückgehen«, sagte sie, weil sie sich keinesfalls aufdrängen wollte.
»Ja, das sollten Sie.«
Alex hatte schon fast die Tür erreicht, als Chase leise sagte:
»Ihr Geburtstag war zwar schon gestern, aber trotzdem alles Gute.«
Sie drehte sich überrascht lächelnd um. »Danke«, erwiderte sie und verließ den Raum.
Chase wünschte sich, sie wäre länger bei ihm geblieben.
Wahrscheinlich dachte sie, er wollte ungestört sein. Jetzt war er mit seinen beunruhigenden Gedanken allein.
4. KAPITEL
Alex strich Tyler übers Haar und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Er lag auf der Seite, schlief tief und drückte seinen blauen Dinosaurier an sich. Die anderen Stofftiere bewachten ihn von dem Regal am Kopfende des Betts aus.
Tyler war eingeschlafen, sobald sein Kopf das Kissen berührte. Er hatte nicht einmal mehr eine Geschichte verlangt.
Alex lächelte zärtlich und erinnerte sich daran, wie winzig er bei der Geburt gewesen war. Es hatte ihr Angst gemacht.
Damals war sie achtundzwanzig gewesen, eine viel versprechende Chirurgin. Trotzdem hatte dieses Baby in ihr das Gefühl geweckt, total unfähig zu sein.
Sie deckte ihn zu. Tyler war nicht mehr dieses hilflose und erschreckend abhängige Baby. Doch manchmal vermisste sie dieses Kleinkind, das sie aus Zeitmangel viel zu selten im Arm gehalten hatte. Die ersten Schritte hatte ihr Sohn ohne sie gemacht.
Sein erstes Wort war Nana gewesen.
Seinen ersten Geburtstag hatte sie im Operationssaal verbringen müssen.
Alex schaltete das Licht aus, hob einen Lastwagen auf, stellte ihn auf die Kommode und schloss die Tür bis auf einen Spalt.
Sie wollte nicht mehr an die letzten Jahre denken. Mit Hilfe ihrer Eltern hatte sie die Facharztausbildung überstanden, und ihr und Tyler ging es jetzt wirklich gut.
Vor einer halben Stunde war sie mit Tyler heimgekommen und hatte aufgepasst, dass er seine Maus, die Fische und den Kater fütterte. Danach hatte sie ihn zu Bett gebracht. Jetzt musste sie nur noch den Kaffee für morgen früh vorbereiten, die Lichter im übrigen Haus löschen und sich schlafen legen.
Thomas, der drahtige, ehemals wild lebende Kater, verschwand in Tylers Zimmer, um sich am Fußende des Betts zusammenzurollen.
Plötzlich war es zu still im Haus. Es fühlte sich nicht leer an.
Dafür hatte es zu viele Bewohner. Trotzdem kam Alex sich einsam vor, während sie sich in der Küche betätigte.
Sie dachte an Wendy und ihr Baby. Nach Wendys Auszug hatte sie sich umstellen müssen. So war es ihr auch ergangen, als im letzten Jahr die Ärztin aus Indien, die bei ihr gewohnt hatte, in ihre Heimat zurückgekehrt war.
Alex wollte bloß nicht glauben, dass dieses leere Gefühl etwas damit zu tun hatte, dass Ryan und Ronni heute Abend Hand in Hand weggegangen waren. Oder dass Tanner beim Verlassen des Restaurants den Arm um Kelly gelegt hatte.
Sie wollte nicht glauben, dass es daher kam, dass Männer sie seit mehr als vier Jahren nur flüchtig und rein platonisch umarmt hatten.
Am allerwenigsten wollte sie glauben, dass es damit zu tun hatte, dass Chase ihr heute Abend sehr einsam vorgekommen war.
Wenn sie jetzt an Chase dachte, konnte sie bestimmt nicht schlafen. Rasch schaltete sie in der Küche das Licht aus. Im nächsten Moment meldete sich das Rufgerät.
Sie stöhnte und stieß sich prompt den Kopf am Türrahmen.
Barfuß
eilte
sie
zur
Handtasche
auf
dem
Dielenschränkchen und löste das Gerät vom Riemen.
Auf der Digitalanzeige erschien zwar die Rufnummer des Krankenhauses, doch die Nummer der Nebenstelle war Alex unbekannt. Der Anruf kam nicht aus der Notaufnahme und auch nicht von der Chirurgie. Sofern nicht eine andere Station irrtümlich sie angerufen hatte, kannte sie nur einen, der in Frage kam.
Sie griff nach dem Telefon und tippte die Nummer ein.
Schon nach dem ersten Klingeln hörte sie eine tiefe Männerstimme.
»Das ging aber schnell. Hier Chase. Sind Sie noch im Restaurant?«
Es entging ihr nicht, wie formlos er sich meldete und wie sehr der sinnliche Klang seiner Stimme auf sie wirkte.
»Ich habe es schon vor einiger Zeit verlassen.«
»Ich dachte
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