Ein Leben voller Liebe
stand Gwen Montgomery auf, stellte sich selbst vor, weil Chase wieder telefonierte, und wollte hinausgehen.
Die schlanke Frau mittleren Alters war die perfekte Chefassistentin. Das Kostüm war maßgeschneidert, das leicht ergraute dunkle Haar zum Knoten gebunden. Dem Ring am Finger nach zu schließen, war sie außerdem verheiratet.
»Bleiben Sie hier«, bat Alex. »Ich sehe mir nur sein Bein an.
Er kann sogar während der Untersuchung weitertelefonieren.
Das wird bei uns schon Routine.«
Sie brauchte ihn tatsächlich nicht zu stören. Dass sein Bein gut aussah, zeigte sie ihm durch ein Lächeln. Und sie bekam Herzklopfen, als er ihr lange genug in die Augen sah, dass ihr der Atem stockte. Dann lächelte auch er.
Es spielte keine Rolle, dass dieses Lächeln müde wirkte.
Alex fand es nur nicht richtig, dass er sie nicht einmal zu berühren brauchte, um sie völlig zu verwirren.
Alex verließ das Zimmer. Schließlich hatte es keinen Sinn, Chase Ruhe zu empfehlen. Er hätte lediglich mit ihr diskutiert, und genau das wollte sie vermeiden.
Am nächsten Tag traf sie Ronni und Kelly zum Mittagessen.
»Bestimmt hat Tanner einige Punkte ausgelassen. Ich meine, er hat mehr über die Bauweise von Chases Firmensitz gesprochen als über Chases bisheriges Leben. Ihr hättet das hören müssen.« Kelly beugte sich über den Tisch, damit man sie trotz des Geräuschpegels bei Granetti’s verstehen konnte. »Er redete pausenlos über Isolationsmaterial, obwohl ich wissen wollte, was er von seinem Bruder hält.«
»Und was hält er von ihm?« erkundigte sich Alex.
»Als ich ihn endlich in die Enge trieb, meinte er, Chase wäre ein ganz ordentlicher Kerl. Unter Männern ist das ein Kompliment. Ich glaube, Tanner wartet ab. Es dauert eine Weile, bevor er jemanden akzeptiert.« Sie griff nach der Teetasse. »Er meinte allerdings, die Leute, die Chase adoptierten, seien ein besonderes Pärchen gewesen. Sieht so aus, als hätte er Mitleid mit Chase.«
»Ryan hat sich über die Harringtons ähnlich ausgedrückt«, berichtete Ronni und verschränkte die Hände, um nicht nach dem Knoblauch-Käse-Brot zu greifen.
Mehr als zwei Stücke erlaubte sie sich nicht. »Es klang so, als hätte Chase nicht über sein Leben sprechen wollen. Er interessierte sich mehr für das Schicksal seiner leiblichen Eltern und seiner Brüder. Dass er adoptiert wurde, erfuhr er erst nach Mr. Harringtons Tod aus dessen Testament.«
»Es stand im Testament?« fragte Alex.
»Das hat Ryan nicht gesagt«, meinte Ronni. »Aber könnt ihr euch vorstellen, wie das ist, es so zu erfahren?«
Kelly fiel noch etwas ein. »Chase fragte seine Adoptivmutter, wieso er die Wahrheit nicht schon früher erfahren hätte. Sie antwortete, sein Vater hätte ihn für sie unter der Bedingung besorgt, dass er nichts erfährt. Chases Verwandte sollten nicht plötzlich eines Tages bei ihnen auftauchen und finanzielle Unterstützung verlangen können.«
Alex verschluckte sich beinahe am Kaffee. »Er hat ihn ihr… besorgt?«
»Klingt, als ginge es um ein Spielzeug«, bemerkte Ronni.
»Die Harringtons wussten, dass er Brüder hat. Sie verschwiegen ihm das ganz bewusst.« Kelly schüttelte ungläubig den Kopf. »Tanner meinte, Chase hätte sich sehr zurückgehalten, aber er und die Harringtons hatten einander offenbar schon länger nichts mehr zu sagen, bevor sein Adoptivvater das Zeitliche segnete.«
Alex konnte sich nicht vorstellen, wie das alles auf Chase gewirkt hatte. Sie verstand jetzt allerdings, wieso es ihn kalt ließ, als sie meinte, für seine Brüder würde nur zählen, dass er zur Familie gehörte.
»Hast du ihn schon kennen gelernt?« fragte Ronni und gab einem Kellner den Brotkorb, damit er außer Reichweite kam.
»Nein, und du?« antwortete Kelly.
»Auch noch nicht. Ryan meinte, es wäre einfacher, wir warten bis zu seiner Entlassung. Er würde es an Chases Stelle auch vorziehen, sich beim Kennenlernen seiner neuen Familie besser zu fühlen. Was ist mit dir?« fragte sie Alex. »Du bist seine Ärztin.
Was hältst du von ihm?«
Alex wartete, bis die Kellnerin den Rest ihres Salates weggenommen hatte. »Er ist mein Patient.«
»Das wissen wir«, versicherte Ronni. »Wir wollen auch keine Geheimnisse erfahren.«
»Die du uns ohnedies erzählen könntest«, meinte Kelly.
»Schließlich ist er unser Bruder und dadurch unser Angehöriger.«
»Er ist kein direkter Angehöriger.«
»Du könntest uns trotzdem etwas entgegenkommen.«
Ronni beugte sich
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