Ein Leben voller Liebe
Termine. Dann kamen noch die Patienten im Krankenhaus an die Reihe. Hoffentlich schaffte sie es, die Jungen gegen sieben Uhr mit einem anständigen Essen zu versorgen.
Außerdem wollte sie sich den Film zu Ende ansehen. Das konnte sie machen, sobald die Jungen im Bett waren.
Sie hatte vergessen, den Kater zu füttern!
Die Vorstellung, dass Tom sich vor der Tür der Speisekammer die Lunge aus dem Leib schrie, brachte sie dazu umzukehren.
Dadurch verlor sie lediglich fünf Minuten, auf die es nicht ankam. Als sie zum zweiten Mal losfuhr, erklang im Auto keine Disneymelodie. Brent durfte jetzt die Musik wählen.
Alex ging durch den Kopf, dass niemand sie wieder erkennen würde, der sie vor fünf Jahren gekannt hatte. Damals war ihre Welt geordnet und beinahe langweilig ruhig gewesen. Sie hatte ihr Ziel gekannt. Ihr Leben hatte sich um Medizin, gelegentliche Museumsbesuche oder Konzerte und Dr. Matt Bowden gedreht.
Sie hatte zu den wenigen Menschen gehört, die rundherum zufrieden waren. Die lange Arbeitszeit als Assistenz
ärztin war eine Belastung gewesen, doch sie hatte gewusst, dass dies nicht ewig so bleiben würde. Sie hatte sich ganz auf ihren Traum, den sie mit Matt teilte, konzentriert, bis sie schwanger wurde und Matt alle gemeinsamen Pläne platzen ließ.
Doch das gehörte der Vergangenheit an. Ihr Leben hatte einen völlig anderen Verlauf genommen. Es war erfüllt.
Sie hatte Tyler. Und wenn sie mit Chaos nicht so gut zurechtkam, wie alle von ihr annahmen, war das ihre Sache.
Sie konnte mit Krisen umgehen. Störungen warfen sie nicht aus der Bahn. Meistens fragte sie sich erst nachts, wie sie den Tag überstanden hatte und wie es nun weitergehen sollte.
Als sie sich an diesem Nachmittag gegen fünf Uhr Chases Zimmer näherte, überlegte sie, ob es ihm nicht vielleicht auch ein wenig wie ihr erging.
6. KAPITEL
Hinter Alex klingelte das Telefon am Stationspult, und ein Arzt besprach auf dem Korridor etwas mit einer Schwester, als Alex in der Tür von Chases Zimmer stehen blieb. Zu den Blumenarrangements, die zuerst eingetroffen waren, hatten sich ungefähr ein Dutzend Pflanzen gesellt.
Dahinter sah sie Chase. Er telefonierte wieder.
Sie wollte mit ihm über seine Entscheidung, in Honeygrove zu bleiben, reden. Sobald er sie bemerkte, sagte er zu seinem Gesprächspartner, dass er aufhören musste.
»Macht Gwen Pause?« fragte Alex, weil sie seine Sekretärin hier erwartet hatte.
»Sie erledigt etwas für mich.«
Alex ging näher. »Können Sie sich überhaupt jemals entspannen?« fragte sie mit einem Blick auf die Unterlagen und das Faxgerät auf dem Tablett.
»Vermutlich nicht.« Er betrachtete ihre Beine und ihre Finger, die mit der Perle an der Halskette spielten. »Das Problem sollte Ihnen allerdings bekannt sein.«
Alex merkte, was sie tat, ließ die Perle los und schob die Hand in die Tasche. »Wirklich?«
»Sie sind Medizinerin, haben einen kleinen Sohn, eine Menagerie und ein ständig belegtes Gästezimmer. Ich versuche nur zu verhindern, dass ich die Wände hochgehe.«
»Es ist keine Menagerie«, entgegnete sie lässig. »Wir haben bloß einen Kater, zwei Goldfische und eine Wüstenmaus.«
»Tanner behauptete, es wäre eine gerettete Laborratte.«
»Wieso haben Sie mit Tanner darüber gesprochen?«
fragte sie erstaunt.
»Ich habe mich bei ihm und Ryan über Sie erkundigt«, gestand Chase. »Für mich ist es wichtig, möglichst viel über Menschen zu wissen, mit denen ich zu tun habe. Ich habe gehört, dass Sie sich nur entspannen, wenn Sie praktisch zusammenbrechen. Also sollten Sie vielleicht lieber nicht kritisieren, wie ich meine Zeit verbringe.«
»Die Voraussetzungen sind bei uns beiden allerdings unterschiedlich.« Sie holte den piepsenden Signalgeber aus der Tasche und las die Nummer ab, die sie anrufen sollte. Da es nicht sonderlich wichtig sein konnte, fuhr sie fort: »Ich brauche im Gegensatz zu Ihnen nicht dringend Ruhe.«
Am liebsten hätte Chase ihr widersprochen. Die Wortgefechte mit Alex Larson waren in den letzten sechs Tagen stets Höhepunkte gewesen, und er hätte sich diese Ablenkung gern gegönnt. Seit er jedoch den Fehler begangen hatte, sie zu berühren, gingen sie beide jeder Meinungsverschiedenheit aus dem Weg.
Sie interessierte ihn täglich mehr. Er hatte angenommen, sie wäre geschieden. Ryan hatte jedoch gesagt, dass sie nie geheiratet hatte. Sein Bruder wusste allerdings nicht, wer der Vater des Kindes war und wieso sie den Jungen allein
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