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Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Titel: Ein letzter Brief von dir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Ashton
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eines Bauarbeiters.
    Dann wandte die Schauspielerin sich wieder Reece zu. Orla hörte zu, wie sie ihn mit ausgefallenen Koseworten und den allersaftigsten Flüchen überschüttete. Sie war sehr weiblich, aber ohne einen Hauch von Unterwürfigkeit. Sie schien wie nicht von dieser Welt und hatte eine fast erotische Wirkung auf Orla. Orla fragte sich, ob sie auf ihren Ruhm reagierte oder auf etwas, das nur ihr eigen war, das in ihrer Parfümwolke lag oder zwischen den zurückgeworfenen Locken ihrer Meerjungfrauenmähne. Sie war völlig überwältigt von Antheas Ausstrahlung. Es machte ihr nichts aus, auf den Moment zu warten, da Reece ihren gemeinsamen Nenner erwähnen und Sims Licht auch auf sie scheinen würde.
    Die Tatsache, dass Sim Nacktszenen mit ihr gedreht hatte, verdrängte Orla lieber.
    Reece tippte auf seinem Blackberry herum, als ob er ein winziges Tierchen aufwecken wollte. Er nickte zu Antheas wortreicher Beschwerde über den Regisseur, für den sie zurzeit arbeitete. «Ich rufe ihn morgen an. Das ist nur ein kleines Missverständnis, Schätzchen. Ich hab es ihm ganz deutlich gesagt: An den Wochenenden wird nicht gedreht.» Dann bezog er Orla in das vom ganzen Club belauschte Gespräch ein, indem er sie vorstellte: «Ant, Schätzchen, dieses wunderhübsche Wesen ist Orla, die Liebste unseres wunderbaren Sim. Und, Orla, das ist die unvergleichliche Anthea Blake, die Kurtisane höchstselbst.»
    «Oh.» Antheas Wortschwall versiegte, als hätte jemand den Stecker gezogen.
    Orla nahm ihre Befangenheit freundlich auf. Sie war inzwischen zur Expertin geworden, wie man diese Sorte Schweigen elegant umschiffte. Als Sim starb, war aus Orla die «arme Orla» geworden – obwohl die Rolle gar nicht zu ihr passte.
    «Hallo, Anthea», sagte sie. «Ich habe so viel von dir gehört.»
    «Und ich von dir.» Antheas Hand fuhr zu ihrem Hals, eine dramatische Geste, die aber ganz natürlich wirkte. Wahrscheinlich war sie ihr in ihrem langen Arbeitsleben zur zweiten Natur geworden. «Es tut mir so leid. Wegen …» Sie wedelte mit der Hand, als ob sie etwas sagen wollte, das zu furchtbar war, als dass sie es hätte aussprechen können. Ihre Lider flatterten. «Gott. Er war so …» Jedes einzelne ihrer über fünfzig Jahre schien plötzlich durch die Maske, die ihr ihr plastischer Chirurg verpasst hatte. «So ein talentierter Mann. Ein großer Verlust. Du musst ihn furchtbar vermissen.»
    «Ja.» Orla war plötzlich ganz heiß, es war, als ob sie die Trauer hinterrücks überfiel. Im Blick dieser Schauspielerin sah sie echten Schmerz. «Es wird besser», hörte sie sich selbst sagen, bestürzt von ihrer eigenen banalen Herzlosigkeit.
    «Er ist verdammt phantastisch in ‹Die Kurtisane›. Er spielt mich vollkommen an die Wand.» Sie befand sich wieder auf sicherem Boden, und das belebte Anthea sichtlich, ihr Gesicht leuchtete regelrecht auf. «Aber ich habe euer Dinner unterbrochen. Lasst euch nicht stören. Schön, euch gesehen zu haben.» Sie warf Orla eine Kusshand zu. «Und was uns beide betrifft … wir sprechen morgen, Reece.»
    Klientin und Agent wechselten einen Blick. Orla spürte, dass mehr als Betroffenheit über das gemeinsame Trauererlebnis darin lag; es wirkte fast, als ob Anthea plante, Reece eine ordentliche Abreibung zu verpassen.
    «Das hätte nicht passieren sollen», sagte Reece halblaut. Ein Tross Kellner begleitete Anthea nach oben, als wäre sie die Königin, die zu Besuch kam. «Ant ist im Grunde ein Schätzchen, aber sie ist ziemlich schonungslos. Alles in Ordnung, Orla?»
    «Natürlich!» Ma hatte ihr ganz altmodisch gute Manieren beigebracht, und das bedeutete, dass sie sich bemühte, die unkomplizierteste Hinterbliebene der Welt zu sein. Schließlich war es ihre Pflicht, Reece und
jeden anderen
davor zu schützen, sich ihretwegen unbehaglich zu fühlen. «Die Pommes sind lecker. Willst du eine?»
    «Ant fällt es schwer, über ihn zu sprechen.»
    «Mir manchmal auch. Und dir.» Die Art, wie Reece seinen kupferroten Kopf hängen ließ, sagte Orla alles. Er und Sim hatten eine echte Freundschaft gehabt, nicht nur die notwendige professionelle Nähe.
    «Ich will nicht
über
ihn reden», sagte Reece. «Ich will
mit
ihm reden.»
    «Soll ich dir ein Geheimnis verraten? Ich rede mit ihm!», lachte Orla. Reece konnte sie bestimmt von der Valentinskarte erzählen. Er würde sicher über ihre verrückten Witwenschrullen lachen. «Ich erzähle Sim, wie mein Tag war. Ich frage ihn, was ich zum Abendessen

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