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Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Titel: Ein letzter Brief von dir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Ashton
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diesem dunklen, stillen Mann, der ihr eigentlich gar nichts bedeuten sollte.
     
    «Wer hat Ihnen Blumen geschickt?» Bogna ging um die Rosen auf dem Tresen herum und machte dabei Blasen mit ihrem Kaugummi.
    «Das geht dich gar nichts an.» Orla spielte mit den langstieligen Schönheiten und versuchte, sie etwas durcheinanderzubringen, aber ohne Erfolg. Derartig stolze Blüten konnten nur steif und teuer aussehen. Reeces Geschmack war beeindruckend. Sim hatte ihr immer kleine Sträußchen geschickt.
    «Arthur hat mir früher Rosen geschickt», sagte Maude, die auf einer Leiter stand und die fremdsprachigen Bücher abstaubte. «Immer rote. So wie diese.»
    Arthur! Orla stürzte sich auf den unerwarteten Krümel aus Maudes Biographie und hamsterte ihn. Dass es einmal einen Mr. Maude gegeben hatte, war offensichtlich: Auf den Briefen, die Orla morgens immer von der Fußmatte nahm, stand die Anrede Mrs., außerdem trug Maude einen Doppelnamen, aber ihren Ehemann erwähnte sie nie. Wenn das Gespräch drohte, auf das Thema «Maudes romantische Vergangenheit» zu kommen, egal wie versteckt, sank die Stimmung sofort auf den Gefrierpunkt.
    Als Irin kannte sich Orla mit der älteren Generation gut aus. Auch Ma hatte so ihre eigenen Ansichten zu den Themen Menstruation, Geschlechtsverkehr und Homosexualität – Breda Cassidys Heilige Dreifaltigkeit –, und Orla wusste, wie man unangenehmen Gesprächen diesbezüglich aus dem Weg ging.
    Ein anderes Thema, das Maude um jeden Preis vermied, war ihre finanzielle Lage. Orla selbst kam aus einer Familie, die immer knapp bei Kasse war, und sie war fasziniert von den Reichen. Sie war auf beinahe perverse Weise von Sim beeindruckt gewesen, der sein Geld einfach so ausgab. Der mit schlafwandlerischer Sicherheit immer das teuerste Gericht auf der Speisekarte wählte, ob es ein Steakhouse oder ein Restaurant mit Michelin-Sternen war. Ebenso sprachlos machte es sie, dass sich Lucy auch noch den winzigsten Tiegel ihrer Crème de la Mer nach Hause liefern ließ, statt ihn einfach im Laden zu kaufen und in ihre Handtasche zu stecken.
    Sie verstand einfach nicht, wie die Reichen mit ihrem Geld haushalteten. Wie, hatte sich Orla immer gefragt, konnte man allein mit dem Gehalt eines Jobs, selbst wenn es ein so wichtiger wie der von Senator Quinn war, ein Stadthaus in Dublin, eine mit Autos vollgestopfte Garage, einen erwachsenen Sohn und eine luxusfixierte Ehefrau unterhalten? Und Geliebte sind schließlich auch nicht billig.
    Und wie um alles in der Welt konnte eine betagte Dame ohne ersichtliche finanzielle Mittel eine dreistöckige Immobilie in Zentrallondon besitzen? Orla war clever genug, zu wissen, dass selbst in diesem weniger schicken Bezirk zwischen Wechselstuben und Buchmachern Maudes Haus so viel wert war wie eine gesamte Straße in Tobercree. Und dennoch vermietete sie die mittlere Wohnung zu einem günstigen Preis, und der Laden war eher ein Geldgrab als eine Einkommensquelle. Vermutlich besaß Maude das, was Ma immer ehrfürchtig als «altes Geld» bezeichnete – einen riesigen Haufen Kohle, der von Generation zu Generation weitergereicht wurde, bis er schließlich in ihrer Tasche gelandet war.
    «Arthur?», fragte Orla vorsichtig und konzentrierte sich auf die Rosen.
    «Orlas Blumen kommen von einem Freund, der eine wunderbare Veränderung in ihrem Leben feiern will.»
    Maude hatte das zu Bogna gesagt und überging damit geschickt Orlas behutsamen Vorstoß auf vermintes Gelände.
    «Echt?» Bogna gab sich große Mühe, desinteressiert zu wirken. Sie zog mit dem Daumen am Träger ihres Büstenhalters, sodass die eine Brust unter dem schrägen Ausschnitt ihres T-Shirts Männchen machte.
    «Sie hat einen Vollzeitjob am College angenommen.» Maude strahlte, weil ihr geschickt eingefädelter Plan aufgegangen war. «Vom 10 . September an wird Orla Englisch als Fremdsprache unterrichten. Ihr Vertrag läuft ein Jahr. Danach», sagte sie geheimnisvoll, «sehen wir weiter.»
    «Warum tut sie das?» Bogna wirkte so angeekelt, als hätte Orla einen fahren lassen. «College ist Müll und langweilig.»
    «Finde ich nicht», entgegnete Orla geduldig. «Ich liebe das Unterrichten.» Sie bemerkte, dass man die Dornen an den Rosen entfernt hatte.
    Die Türglocke bimmelte, und Maude eilte hinüber, um den Kunden zu begrüßen. Sie zog eine Puderwolke hinter sich her. Orla lehnte sich an den Tresen und musste an den Anruf ihrer Ma am vergangenen Mittwoch denken.
     
    «Orla? Ich bin’s, Ma.

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