Ein Liebhaber wie Tony
Arbeitszimmer. Er trug Jeans und einen dunkelblauen Velourpullover. Sein Blick glitt langsam an Sharon hinab, was ihr nicht unangenehm war. Lässig ging er hinüber zum Ofen und sah nach dem fantastisch riechenden Essen.
»Hast du für deine Reise eingekauft?«
Sharon bemerkte, dass sie immer noch den Karton mit dem Kleid in der Hand hielt. Rasch stellte sie ihn zur Seite.
»Nicht direkt«, erwiderte sie mit einer Ãberschwänglichkeit, die sich selbst in ihren Ohren falsch anhörte. »Wie ist es dir ergangen, Tony?«
»Ganz hervorragend«, antwortete er mit ironischem Unterton, während er die Backofentür zumachte. »Ein Mensch namens Sven hat angerufen. Er sagte, dass er die Nummer von Bea bekommen hätte.«
Sven? Sharon kramte in ihrem Gedächtnis. Der einzige Sven, der ihr einfiel, war ein schwedischer Austauschschüler. Vor langer Zeit, als sie noch die Highschool besuchte, verbrachte er ein Jahr in Hayesville.
»Hat er eine Nachricht hinterlassen?«, fragte sie leichthin, um Tony zum Grübeln zu bringen.
»Nur, dass er wieder anruft«, erwiderte Tony genauso leichthin und nahm die Teller aus dem Schrank. »Deine Steuerberaterin möchte dich auch sprechen.«
Sharon bemühte sich, ihre Besorgnis darüber zu verdecken. Ihre Steuerberaterin rief nur an, wenn es schlechte Neuigkeiten gab.
Auf ein Zeichen ihres Vaters hin räumten Marc und Brian die Schulsachen weg und deckten den Tisch.
»Du möchtest sie zu Hause zurückrufen«, sagte Tony noch. Dann wusch er sich die Hände, holte einige Plastiktüten aus dem Kühlschrank und begann, den Salat zu zupfen.
Sharon war jetzt ernsthaft beunruhigt. Sie zog den Mantel aus, nahm ihre Kleiderschachtel und ging nach oben. Im Schlafzimmer angekommen, suchte sie die Nummer heraus und griff zum Telefon.
Wenig später hatte sie Susan Fenwick am Apparat, und die legte gleich los. »Was soll das heiÃen, ich kann es mir nicht leisten, nach Paris zu fahren?«, flüsterte Sharon schlieÃlich entsetzt. »Das ist eine Geschäftsreiseâ¦Â«
»Ist mir egal«, unterbrach Susan sie. »Wie gesagt, du musst demnächst deine Steuern bezahlen, Sharon. Auch wenn du inzwischen finanziell etwas Boden gewonnen hast, bringst du dich durch irgendwelche gröÃeren Extraausgaben in ernsthafte Gefahr.«
Sharon seufzte. Jedem hatte sie von der Fahrt nach Paris erzählt: Tony, den Kindern, Helen, Louise ⦠Sie würde wie ein Trottel dastehen.
»Gut.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. In einem Seminar hatte sie einmal gehört, dass ein Geschäftsmann während eines Telefongespräches immer einen freundlichen Gesichtsausdruck haben müsse. »Vielen Dank, Susan.«
»Gern geschehen. Tut mir leid wegen der Reise. Vielleicht gehtâs im Frühling.«
»Ja. Wiederhören.«
Sharon lief wieder hinunter. Die Kinder aÃen bereits, und Tony packte im Arbeitszimmer die ständig präsenten Baupläne zusammen.
»Sind das die Pläne für den Supermarkt?«, fragte Sharon in dem fast unmöglichen Bestreben, eine ganz normale Unterhaltung über ein ganz normales Thema mit ihm zu führen.
Tony nickte, und ihr schien es, er vermied es, sie anzusehen. »Die Kinder essen. Möchtest du dich nicht zu ihnen gesellen?«
»Ich bin nicht hungrig.« In Wahrheit hatte Sharon einen Bärenhunger, aber wenn sie in das wundervolle, aufreizende Kleid passen wollte, musste sie auf Tonys Kochkünste verzichten.
Tony drehte sich um und taxierte sie. »Versuchst du, dich auf Pariser Verhältnisse runterzuhungern?«, fragte er trocken.
Sharon hätte ihm gern erzählt, dass die Reise abgesagt war, dass sie es sich nicht leisten konnte. Aber ihr Stolz erlaubte es nicht. Das Bedürfnis, der Welt ihren Stempel aufzudrücken, hatte die Scheidung ausgelöst. Und Sharon wollte nicht, dass Tony dahinterkam, wie ihr Lebensstandard seitdem gesunken war. Sie ignorierte seine Frage. »Vielen Dank fürs Herkommen.«
»Jederzeit.«
Es lag, selbst als er lächelte, ein verlorener Ausdruck in seinen Augen. Sie verspürte den Drang, auf ihn zuzugehen und die Arme um seine schlanke Taille zu legen. Das Verlangen, Tony wieder körperlich und emotional nahe zu sein, war sehr stark.
Doch Sharon widerstand der Versuchung. »Hat Sven eine Nummer hinterlassen?« Sie sprach mit weicher Stimme.
Tony sah müde aus
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