Ein Lied für meine Tochter
Drink in sein Haus einlädt.
Normalerweise wären wir daheim gewesen. Schließlich musste das Progesteron jeden Abend zwischen sieben und viertel nach sieben gespritzt werden – und das bedeutete, dass wir unsere Abende darum herum planten, zumal wir ja sowieso kein Geld mehr für Kino oder so etwas hatten. Aber Zoe war zur Hochzeit zweier Senioren eingeladen, die sie in einer ihrer Therapiegruppen im Altenheim kennengelernt hatte. »Wäre ich nicht gewesen«, hatte sie gesagt, »dann würde es keine Hochzeit geben.«
Also duschte ich mich, als ich von der Arbeit nach Hause kam, zog eine Krawatte an, und wir fuhren zum Altenheim. Zoe hatte das Progesteron, Desinfektionstücher und Spritzen in der Tasche. Wir schauten zu, wie Sadie und Clark, die zusammen 184 Jahre alt waren, im heiligen Bund der Ehe miteinander verbunden wurden. Dann aßen wir pürierten Rinderbraten – das Essen musste gebissfreundlich sein – und schauten zu, wie die Heimbewohner, die sich noch bewegen konnten, zu Big-Band-Klängen tanzten.
Das glückliche Brautpaar fütterte sich gegenseitig mit Kuchen. Ich beugte mich zu Zoe herüber und flüsterte: »Ich gebe dieser Ehe zehn Jahre – höchstens.«
Zoe lachte. »Pass bloß auf, mein Freund. Eines Tages sitzen wir so da.« Dann piepte ihre Uhr, und sie schaute aufs Ziffernblatt. »Oh«, sagte sie. »Es ist sieben.« Ich folgte ihr den Flur hinunter zur Toilette.
Es gab zwei, eine für Männer und eine für Frauen, beide groß genug für Rollstühle – oder für einen Mann, der seiner Frau eine Progesteron-Spritze geben muss. Die Damentoilette war verschlossen, also huschten wir stattdessen aufs Männerklo, und Zoe hob den Rock.
Sie hatte eine mit Filzstift gemalte Zielscheibe auf dem Hintern, die ich jeden Tag nach dem Duschen neu malte. Ich wollte sie auf keinen Fall an einer Stelle stechen, an der es schmerzhafter war als nötig.
Ich hatte geglaubt, nichts könne schlimmer sei, als Zoe Spritzen in den Bauch zu setzen, mit einem Medikament, das ich zunächst aus Pulver und Wasser anmischte, um dann die Haut ein wenig herauszuziehen und die winzige Nadel hineinzustechen. Zoe schwor, dass es nicht wehtun würde, aber jedes Mal blieben blaue Flecken zurück.
Doch das Progesteron war anders.
Zunächst einmal war die Nadel dicker. Dann war das Medikament eher ölig als flüssig. Und außerdem mussten wir das dreizehn Wochen lang jeden Abend machen.
Zoe holte die Desinfektionstücher und eine Ampulle aus der Tasche. Ich säuberte den Hals der Phiole und dann die Mitte der Zielscheibe auf dem Hintern meiner Frau. »Ist es okay, wenn du stehst?«, fragte ich. Normalerweise lag sie bei diesen Spritzen auf unserem Bett.
»Bringen wir es einfach hinter uns«, erwiderte Zoe.
Rasch schraubte ich die dicke Nadel auf die Spritze und zog sie auf. Das war nicht leicht. Das Öl war so dickflüssig, dass ich das Gefühl hatte, Sirup durch einen Strohhalm zu ziehen. Ich zog das Medikament bis knapp über die Markierung auf der Spritze auf, und drückte dann auf den Kolben, bis die Menge stimmte.
Dann schraubte ich die Nadel wieder ab und griff zu einer neuen, mit der ich das Progesteron injizieren würde. Sie war nicht ganz so dick wie die andere, sah aber trotzdem furchterregend aus. Fast zwei Zoll musste ich Zoe in die Muskeln jagen. »Okay«, sagte ich und atmete tief durch, obwohl nicht ich, sondern Zoe die Spritze bekam.
»Warte!«, rief sie und drehte sich zu mir um. »Du hast es nicht gesagt.«
Wir hatten eine Abmachung. »Ich wünschte, ich könnte dir diese Bürde abnehmen«, sagte ich wie jeden Abend.
Zoe nickte und stützte sich mit den Händen an der Wand ab.
Niemand sagt einem, wie widerstandsfähig Haut ist. Sie soll ja auch zäh sein, und man braucht ein gewisses Maß an Mut, um sie mit einer Spritze zu durchstechen. Aber für Zoe war es schlimmer als für mich, also hielt ich meine Hände ruhig (was zunächst ein Problem für mich war) und stieß die Nadel mitten ins Bullseye. Ich stellte sicher, dass sich kein Blut mit dem Medikament mischte. Dann kam der schwierige Teil. Können Sie sich vorstellen, wie viel Kraft es braucht, um Öl in einen menschlichen Körper zu quetschen? Ich schwöre, egal wie oft ich das meiner Frau antat (und ich habe das wirklich so gesehen: antat), ich spürte jeden noch so kleinen Widerstand von Blut und Fleisch gegen das Progesteron.
Als ich schließlich fertig war, zog ich die Nadel wieder heraus und warf sie in den Mülleimer neben dem
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