Ein Lied für meine Tochter
stehen. Der Notarzt stellt mir Fragen: Ist sie auch sonst so blass? Ist das schon einmal passiert?
Ich kenne die Antworten auf diese Fragen nicht.
Dann ist Zoe plötzlich wieder bei Bewusstsein, aber zu schwach, um sich aufzusetzen. »Keine Sorge …«, murmelt sie. »Das passiert … oft.«
Offenbar gibt es noch immer viel über Zoe Baxter zu lernen, egal wie viel ich glaube von ihr zu wissen.
Während eine Ärztin sie untersucht und sie eine Infusion bekommt, sitze ich im Wartezimmer. Im Fernsehen läuft eine Wiederholung von Friends , und es herrscht Totenstille im Krankenhaus, fast wie in einer Geisterstadt. Ich frage mich, ob die Ärzte wegen des Sturms auch hier gestrandet sind. Schließlich ruft mich eine Krankenschwester, und ich gehe in das Zimmer, in dem Zoe mit geschlossenen Augen auf einem Bett liegt.
»Hey«, sage ich. »Wie fühlst du dich?«
Zoe dreht den Kopf in meine Richtung und schaut zu der Blutkonserve hinauf, die an dem Infusionsständer hängt. »Wie ein Vampir«, antwortet sie.
»Ja, wie in Twilight «, scherze ich, doch keiner von uns lacht. »Was hat die Ärztin gesagt?«
»Dass ich schon ins Krankenhaus hätte kommen sollen, als mir das zum letzten Mal passiert ist.«
Ich reiße die Augen auf. »Du hast schon mal das Bewusstsein verloren, als du deine Tage hattest?«
»Das ist nicht wirklich eine Regelblutung. Ich habe keinen Eisprung, jedenfalls nicht regelmäßig. Aber seit dem … seit dem Baby … sieht meine Periode so aus. Die Ärztin hat einen Ultraschall gemacht. Sie hat gesagt, ich hätte ein flauschiges Endometrium.«
Ich blinzele sie an. »Ist das gut?«
»Nein. Sie müssen eine Ausschabung machen.« Zoe treten die Tränen in die Augen. »Ich habe gerade einen ganz üblen Flashback.«
Ich setze mich auf die Bettkante. »Nein. Das hier ist etwas vollkommen anderes«, sage ich, »und du wirst wieder in Ordnung kommen.«
Es ist etwas anderes … und das nicht nur, weil es diesmal nicht um eine Totgeburt geht. Als Zoe das letzte Mal eine gesundheitliche Krise hatte, waren ihr Mann und ihre Mutter an ihrer Seite. Nun hat sie nur mich in ihrer Nähe, und was weiß ich schon darüber, was es heißt, sich um jemand anderen zu kümmern? Ich habe keinen Hund mehr. Ich habe noch nicht einmal einen Goldfisch. Und die Orchidee, die der Schuldirektor mir zu Weihnachten geschenkt hat, habe ich umgebracht.
»Vanessa?«, fragt Zoe. »Gibst du mir bitte das Telefon, damit ich meine Mutter anrufen kann?«
Ich nicke und hole ihr Handy aus der Handtasche, als zwei Schwestern den Raum betreten, um Zoe auf die Operation vorzubereiten. »Ich werde sie für dich anrufen«, verspreche ich ihr, als Zoe in einem Rollstuhl auf den Gang hinausgefahren wird. Dann klappe ich ihr Handy auf.
Ich kann einfach nicht widerstehen. Es ist, als wäre man bei jemandem zum Abendessen eingeladen, geht ins Badezimmer und wirft mal einen Blick in den Medizinschrank. Ich scrolle durch ihre Kontakte. Vielleicht bekomme ich durch die Leute, die sie kennt, ja ein besseres Bild von Zoe. Wie zu erwarten, habe ich von den meisten Leuten noch nie etwas gehört. Dazu kommen dann noch all die Nummern von Krankenhäusern und Schulen, bei denen sie unter Vertrag steht.
Dann frage ich mich: Wer ist Jane? Wer Alice? Sind das Freundinnen vom College oder Kollegen? Und hat sie sie mir gegenüber schon mal erwähnt?
Und hat sie mich ihnen gegenüber schon mal erwähnt?
Max’ Nummer ist auch noch gespeichert. Ich frage mich, ob ich ihn anrufen soll. Ich frage mich, ob Zoe das will.
Nun, darum gebeten hat sie mich nicht. Ich scrolle nach oben und finde Dara wie erwartet unter dem Eintrag MOM.
Ich drücke die Schnellwahltaste, werde aber sofort an die Mailbox weitergeleitet, und so lege ich wieder auf. Ich finde es irgendwie nicht richtig, ihr eine beängstigende Nachricht auf den Anrufbeantworter zu sprechen, wo sie dreitausend Meilen entfernt ist und ohnehin nichts tun kann, um Zoe zu helfen. Ich werde es später noch einmal versuchen.
Anderthalb Stunden später wird Zoe wieder in ihr Zimmer zurückgebracht. »Sie wird noch eine Weile benommen sein«, erklärt mir die Krankenschwester. »Aber sie wird wieder in Ordnung kommen.«
Ich nicke, und die Krankenschwester schließt die Tür hinter sich. »Zoe?«, flüstere ich.
Zoe schläft tief und fest unter dem Einfluss der Medikamente, und ihre Wimpern werfen blaue Schatten auf die Wangen. Ihr Hand liegt offen auf der Baumwolldecke, als biete sie mir etwas an, das
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