Ein Lied über der Stadt
selber!«, sagte sie fast trotzig. »Greben. Er heißt Greben.«
Georg starrte auf das Kärtchen. »Bei der SA ist er auch noch«, murmelte er dann verächtlich. »Hat das sein müssen, ja? Ausgerechnet so einer?«
Er warf ihr das Kärtchen zurück, stand auch auf und nahm ihre Tassen, um sie zurück ins Büro zu tragen. Luise konnte nicht fassen, dass er so reagierte. Sie hätte ihn gerne angeschrien, aber dann holte sie tief Luft, zwang sich zur Ruhe und wechselte den Ton.
»Georg«, sagte sie bittend, »was ist denn los mit dir? Ich … sieh mal, ich konnte doch gar nicht anders! Ich habe ihn mir ja nicht aussuchen können. Es war einfach Glück. Und du … du willst doch auch fliegen! Du … wärst du nicht aufgestiegen?«
»Aufgestiegen!« Georg wiederholte das Wort in einem verächtlichen Ton. »Wie du schon redest!«
Er schwieg und starrte aus dem Fenster. Dann brach es plötzlich aus ihm heraus, ein bitterer Vorwurf: »Ich habe gedacht, wir fliegen das erste Mal zusammen! Aber du kannst ja nicht warten. Du musst mit dem fliegen. Mit so einem!«
Luise war ihm gefolgt und stand nun in der Tür. Sie konnte nur den Kopf schütteln. Sie verstand ihn nicht. Das war überhaupt nicht der Georg, den sie kannte. Sie wusste nicht recht, was sie jetzt noch sagen sollte.
»Man kann doch sowieso nicht einfach so zusammen losfliegen«, sagte sie aufgebracht. »Wir hätten doch ohnehin schulen müssen. Denkst du, wir hätten einfach so ins Flugzeug steigen und fliegen können, wenn wir fertig sind? Und dann Bruch machen, weil wir keinen Schimmer vom Fliegen haben? Hast du das wirklich gedacht? Das ist doch kein Motorrad, auf das man einfach so steigt und losfährt!«
Georg stellte die Tassen von einer Ecke des kleinen Tisches hart in den Spülstein. Luise hörte, wie eine brach.
»Aha«, sagte er in sturköpfiger Wut. »Dann willst du wieder mit ihm fliegen, ja?«
Luise holte wieder tief Luft, wollte sich beherrschen, aber diesmal war der Zorn stärker. »Ja«, sagte sie, »wenn ich kann, werde ich selbstverständlich wieder mit ihm fliegen. Ich will fliegen. Ich fliege mit jedem, der mich nach oben mitnimmt. Was denkst du eigentlich?« Jetzt schrie sie fast. »Gönnst du mir das nicht? Was ist mit dir los? Ich habe gedacht, wir haben ein gemeinsames Ziel.«
Georg nickte verächtlich übertrieben und ging zur Werkstatt. In der Tür drehte er sich um. »Ja, das habe ich auch gedacht. Wenn ich denke: Ich wollte dir eine Fliegermütze schenken. Fürs erste Mal.«
Luise sah ihn ungläubig an. Sie war so aufgewühlt von Georgs Sturheit, seinem seltsamen Verhalten und seinem Unverständnis, dass sie unüberlegt rief: »Danke. Vielen Dank, aber ich habe schon eine. Greben hat mir seine geschenkt.«
Damit drehte sie sich um, lief zur Tanksäule, riss ihr Fahrrad an sich, sprang auf und fuhr über die Straße, ohne sich noch einmal zu ihm umzusehen.
15
Es war Juli geworden, und Luise fand sich auf einmal in einer Zeit ganz neuer, ungewohnter Freiheit. Die Tage waren weit, warm und lang. Es gab plötzlich fast keine Pflichten mehr; München war noch fern, erst im September würde sie aufbrechen. Und obwohl es noch so viel zu regeln und zu besprechen gab, war es doch wenigstens für einige Wochen so, als hätte es kein Gestern gegeben, als gäbe es kein Morgen. Wie schnell sie die Welt der Schule hinter sich gelassen hatte, erstaunte sie selbst ein wenig. Aber es war, als hätte sie hinter sich eine Tür geschlossen und hörte jetzt nur noch ab und zu ein unverständliches Gemurmel aus dem Raum Vergangenheit.
Sie war nach dem Streit mit Georg in die Schule zurückgekehrt und hatte dort mit Elisabeth auf die Verkündung der Ergebnisse gewartet, immer noch wütend über seine Dummheit, und als sie gehört hatte – wieder als Erste von allen – dass sie bestanden hatte, überraschend gut sogar, da hatte sie sich nicht einmal richtig freuen können und war deshalb noch wütender auf Georg geworden. Erst am nächsten Tag, da sogar ihr Vater, der wirklich kein großes Gewese um diese Dinge machte, ihr beim Frühstückstisch mit einem Lächeln die Zeitung reichte, in der rechts unten auf der Titelseite die Liste mit den Namen der erfolgreichen Absolventinnen abgedruckt war, erst da begann sie sich allmählich zu freuen, und der einzige Wermutstropfen war, dass der Name Eva Schwarz nicht auf der Liste stand. Sie berührte das Thema nicht, aber ihr Vater sagte leise »Es ist eine brennende Schande!«, während er die Liste
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