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Ein Lied über der Stadt

Ein Lied über der Stadt

Titel: Ein Lied über der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
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habe Papa wirklich etwas Unrechtes getan. Aber das hatte er nicht. Eigentlich sollte man stolz auf ihn sein, dachte sie, während sie zusammen den Saal betraten. Als sie an den Reihen vorbeikamen und nach einem Platz suchten, erkannte sie Junge.
    Er nickte ihr zu. »Wir sehen uns ja morgen, Fräulein Anding.«
    Sie nickte auch und grüßte zurückhaltend. Erst dann sah sie, wer neben ihm saß: Es war Elisabeth. Nur leicht geschminkt, die Lippen rot, aber längst nicht so hässlich neudeutsch wie viele Mädchen jetzt. Sie trug ein elegantes Kostüm und das Haar noch immer gewellt. Beide erkannten einander im selben Moment, und dann geschah etwas, womit Luise nicht gerechnet hatte. Elisabeth zwinkerte ihr zu. Wie in der Schule. Und in diesem Zwinkern lag die Erklärung, wieso sie neben Junge saß, ein Heischen um Verständnis und ein geheimes Einvernehmen mit Luise. Sie lächelte zurück, dann fanden sie einen Platz weiter vorne. Tja, dachte sie, noch eine, die es nicht geschafft hat und nach Hause zurückkehren muss. Aber es war nur ein kurzer Gedanke, denn Georg saß neben ihr, und sie bedauerte gerade nicht, hier zu sein.
    Es war ein österreichischer Film. Er hieß Episode , und obwohl Luise eigentlich mehr nach einer Komödie als nach einem Film über die Inflation war, nahm die verwickelte Liebesgeschichte im Wien der Zwanziger sie dann doch gefangen, und fast gegen ihren Willen bewegte es sie, als die beiden so gar nicht zueinanderfinden konnten. Irgendwann berührten sich Georgs und ihre Hand, und sie verschränkten die Finger ineinander, und es war einfach nur schön, so zu sitzen, eng verbunden und für zwei Stunden herausgenommen aus der Welt.
    Als sie aus dem Kino auf die nächtliche Straße traten, hatte das Wetter sich beruhigt, es war jetzt vollkommen windstill und der Himmel klar. Georg ließ das Krad stehen, um Luise das Stück bis nach Hause zu begleiten. Die Stadt schwieg. Das Hufklappern eines einzelnen Gespanns hallte durch die engen Gassen – der Wagen des Hotels holte wohl einen späten Gast vom Bahnhof. Luise und Georg schlenderten an den Nussbäumen vorbei über den Marktplatz in Richtung Pfarrhaus, als die Gaslaternen ausgingen. Vom Kirchturm schlug es zehn, wie immer gefolgt von den Glocken der Rathausuhr.
    »Kleinstädte sind die großen Freunde der Liebespaare«, meinte Luise leise ironisch, »zum Glück scheint der Mond.«
    Der Mond stand im zweiten Viertel. In ein paar Tagen würde Vollmond sein.
    Georg sah nach oben. »Wünsch dir was«, sagte er und blieb stehen.
    Sie folgte seinem Blick. Sternschnuppen zogen leuchtende Bahnen durch den dunklen Himmel. »Laurentiustränen«, sagte sie versonnen.
    Georg schaute fragend zu ihr hinüber. Sie hielten sich immer noch an den Händen.
    »Mein Vater hat mir das mal erzählt«, sagte Luise, »da saßen wir abends auf der Terrasse, im Sommer, so wie jetzt. Manchmal hat er mir dann vorgelesen, aber damals …«
    Georg unterbrach sie. »Dein Vater ist ein besonderer Mensch«, sagte er nachdenklich.
    »Ja«, sagte Luise leise und fuhr nach einer kleinen Pause fort. »Damals habe ich, glaube ich, die Sternschnuppen im August das erste Mal richtig gesehen. Und dann hat er mir erzählt, dass die Leute früher geglaubt haben, es seien die Tränen des heiligen Laurentius.«
    Sie machte noch eine Pause. Georg sah sie verwirrt an. Luise musste prusten.
    »Na ja … Papa hat mit dem allerernstesten Gesicht erzählt, dass er der erste Röstheilige der Geschichte war. Man hat ihn mehrfach gegrillt. Auf einem regelrechten, kaiserlichen Grill. Deshalb sind seine Tränen feurig.«
    Jetzt lachte sie wirklich. Irgendwie war die Vorstellung einfach zu komisch. Als noch eine Sternschnuppe fiel, musste auch Georg lachen.
    »Ketzerin!«

    Sie standen vor der Tür des Pfarrhauses und konnten sich nicht trennen.
    »Es war schön«, sagte Georg.
    »Ja«, sagte Luise.
    Sie hielten sich an beiden Händen. Dann beugte Georg sich vor und küsste sie leicht auf den Mund.
    »Übermorgen darfst du fliegen«, versprach Luise.
    »Jawohl, mein Führer«, antwortete Georg boshaft und küsste sie noch einmal. Dann ging er, und Luise wollte eben die Türe aufsperren, als sie im Schatten der Mauer schräg gegenüber eine hagere Gestalt sah. Die Haltung, der Kittel – das alles war unverkennbar. Dort stand er und sah zu ihr herüber, ohne sich auch nur Mühe zu geben, den Blick abzuwenden.
    »Gute Nacht, Herr Schwarz«, rief Luise wütend über die Straße und hoffte, dass Georg das

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