Ein Lord entbrennt in Leidenschaft
wie zuvor. „Kit?“
Er schaute auf sie nieder und musterte sie eindringlich. In ihren weit aufgerissenen Augen standen Furcht und Verwirrung. Er wusste genau, was in ihr vorging, denn es war durchaus seine Absicht gewesen, ihr ein klein wenig Angst einzujagen, ihr zu zeigen, dass dieses Spiel, das sie angezettelt hatte, nicht ganz nach ihrem Kopf ablaufen würde. Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass angesichts ihrer Furcht ein Gefühl von Mitleid, ja, gar von Zärtlichkeit in ihm erwachte. Nur mühsam widerstand er dem Drang, sie zu beruhigen. Er rief sich ins Gedächtnis, welch gute Schauspielerin sie war. Dieses ganze Gerede von ihrer wartenden Mama, ihre tapfere Haltung, ihre bebenden Lippen, das alles war nur gespielt. Die berühmte Mrs. Siddon hätte es nicht besser machen können. Nein, Clarissa brauchte seine zarten Gefühle nicht.
Er schob sich näher an sie heran, umfasste ihr kleines energisches Kinn und strich mit dem Daumen sanft über ihre sinnlich-volle Unterlippe. So nah bei ihr stieg ihm abermals dieser Duft von Vanille und Rosen entgegen. Flehend schaute sie mit ihren großen grünen Augen zu ihm auf, deren Wimpern so lang und dicht waren, dass er glaubte, sie müsse dem mit einem weiblichen Kunstgriff nachhelfen. Man konnte in diesen Augen versinken. Scheinbar endlos standen sie so, Clarissa stumm bittend, Kit kühl abschätzend, unnachgiebig.
„Kit, bitte bringen Sie mich heim“, bat sie leise. Plötzlich fürchtete sie sich nicht mehr vor ihm.
„Clarissa, vermutlich glauben Sie, ich wolle Sie entführen, aber keine Angst. Warum sollte ich mich Ihrer gewaltsam bemächtigen? An unserem gemeinsamen Abenteuer werden Sie freiwillig teilnehmen, anders würde es mir nicht einmal Vergnügen machen, und das wissen Sie.“ Während er sprach, umschlang er sie mit einem Arm und zog sie näher zu sich heran. „Sagen Sie nur ein Wort, sagen Sie, ich soll Sie nach Hause bringen, und es wird sofort geschehen. Wir vergessen unser Geschäft. Unser Abenteuer. Unsere Küsse. Dass wir uns einander schenken, wird auf ewig ein Spiel unserer Fantasie bleiben, so als ob wir uns nie getroffen hätten. Wenn Sie mir sagen, dass Sie wirklich und wahrhaftig verzichten wollen, brechen wir hier an dieser Stelle ab.“
Die Nähe zu ihm weckte Erinnerungen an den vergangenen Abend. Sanft wie ein Hauch wehte sein Atem über ihr Gesicht, sein Mund, sein verführerischer Mund lockte, und während er sprach, folgte er unaufhörlich mit dem Daumen liebkosend den Konturen ihres Mundes, ihrer Wangen, besänftigend, tröstend, hypnotisierend. Doch immer noch lag seine Hand nur leicht an ihrer Taille. Clarissa glaubte ihm; er würde sie wirklich gehen lassen, wenn sie es wünschte. Stattdessen schmiegte sie sich, unwiderstehlich angezogen, an ihn, verwarf alle Zweifel, alle Zurückhaltung, dachte nicht mehr an Gefährdung, einzig getrieben von dem Wunsch, seine Lippen wieder zu kosten.
Und er widerstand nicht, sondern bemächtigte sich ihrer schon sehnsüchtig geöffneten Lippen, erst sanft und aufreizend zögernd, sodass sie in heißem Verlangen seine Wange um fi ng, um seinen Mund fester auf den ihren zu pressen. Völlig ent fl ammt, drängte sie sich eng gegen ihn, und als sie seine Erregung spürte, vergaß sie alles um sich her und verlor sich völlig in dem glühenden Kuss.
Das war zu viel für ihn. Es konnte sich nur mit Mühe beherrschen. Jäh ließ er sie los, und sie stand wie verloren vor ihm, von Schamröte übergossen. Nur ihrer beider abgerissenes Atmen war zu hören.
Langsam verebbte die leidenschaftliche Glut. Als sie aufschaute, sah sie Kits Blick auf sich ruhen, mit diesem diabolischen Ausdruck, der noch verstärkt wurde durch seine leicht gehobenen Brauen und das sardonische Lächeln. „Nun, bestehen Sie immer noch darauf, zu Ihrer Mama heimzukehren? Sind Sie vielleicht zu dem Schluss gekommen, dass Sie lieber nicht mit dem Feuer spielen möchten? Sagen Sie, wie es weitergehen soll. Zurück in ihr sicheres Heim? Oder mit mir vorwärts ins Unbekannte? Überlegen Sie gut, denn, meine kühne Clarissa, wenn Sie vorwärts wählen, beginnt in diesem Augenblick Ihr Abenteuer .“
5. KAPITEL
Was um alles in der Welt hatte sie getan? Sie hatte ihre sämtliche Vorsätze fallen lassen! Vom eigenen Körper betrogen, vom eigenen Verlangen in die Falle gelockt, hatte sie sich in echte Gefahr begeben. Im wahrsten Sinn des Wortes hatte sie sich diesem Mann an den Hals geworfen, nachdem sie kurz zuvor noch vor
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