Ein Lord entbrennt in Leidenschaft
gebracht zu haben, holte tief Luft und setzte erneut an, ihre Schwester zur Vernunft zu bringen. „Schließlich liebst du Edward, und nun steht eurer Heirat nichts mehr im Wege. Du glaubst doch im Ernst nicht, dass Reichtum so wichtig ist, Amelia! Es ist ja nicht so, dass Edward gar kein Geld hat; vermutlich wirst du sogar feststellen, dass du als seine Gattin mehr zur Verfügung hast als jetzt.“
„Aber jetzt habe ich gar nichts. Ich bin es so leid, ständig sparen zu müssen, das billigste Essen serviert zu bekommen, um jedes Kleid betteln zu müssen und nur vier Paar Abendhandschuhe zu besitzen. Und wenn ich meinen Hut noch einmal neu bestecken muss, anstatt einen neuen zu bekommen, schreie ich. Und ich weiß jetzt schon, wie es sein wird! Wir werden uns nicht leisten können, auszugehen und werden ständig nur im Haus hocken! Meinst du wohl, ich kennte mich nicht? Was glaubst du, wie lange ich das aushalten würde? Wie bald ich mich nach anderem Amüsement umsehen würde? Und Edward wäre auch nicht auf Rosen gebettet, weil ich immerzu über das fehlende Geld nörgeln würde. Ich verstehe nichts von Haushaltsführung, sodass er die scheußlichen Mahlzeiten und das Gezänk mit dem Hausmädchen bald über hätte – denn mehr Personal können wir bestimmt nicht bezahlen. Es würde in einer Katastrophe enden!“
„Aber hat Edward denn nicht Aussichten auf Beförderung?“
„Er strengt sich sehr an und scheint gut angesehen zu sein, doch ohne Protektion … Also, er sagt, es werde sich demnächst die Möglichkeit ergeben, in die Partnerschaft der Kanzlei einzutreten, aber dazu braucht er Kapital, also wird daraus wohl nichts.“
„Wo arbeitet er denn?“
„Bei Fortescue und Browne. Ihre Kanzlei ist in der Lombard Street, eine sehr angesehene Firma, sagt Edward, mit vielen Klienten aus dem ton .“
Fortescue und Browne! So lautete der Briefkopf des Schreibens, das Mama ihr gegeben hatte. Edward arbeitete also dort! Clarissa überlegte. Ob Edward wohl den Namen des Mannes würde erfahren können, der Mamas Schuldscheine besaß? Ihn einzuspannen war sicher nicht ideal, doch da er Amelia liebte, war es schließlich auch für ihn wichtig. Was sie jedoch mit dem Wissen anfangen würde, war ihr noch nicht so recht klar.
„Amelia, kannst du bitte Edward eine Nachricht von mir überbringen? Ich brauche eine Rechtsauskunft wegen einer Sache, die Mama betrifft. Das, worüber sie sich heute so aufregte.“
Amelia zögerte einen Moment, erklärte aber dann, sie werde ihn am Abend sehen. „Wenn er überhaupt kommt“, brach es plötzlich aus ihr heraus. „Denn wir hatten einen so grässlichen Streit, und vielleicht liebt er mich gar nicht mehr. Aber ich liebe ihn, und ich will ihn heiraten! Warum musstest du dich einmischen? Du hast alles verdorben! Dabei gilt Rasenby als so großzügig! Jetzt werde ich mir einen anderen suchen müssen, der wahrscheinlich nicht halb so reich und nur halb so spendabel ist! Dann dauert es noch länger, bis ich genug Geld zusammenhabe, und bestimmt wird Edward nicht auf mich warten!“
In gewisser Weise verstand Clarissa den Standpunkt Amelias, so fantastisch er auch war. Eheglück würde es für das extravagante Mädchen nicht geben ohne die nötigen Mittel für eine komfortable Lebensführung.
„Was bist du plötzlich so still?“ Amelia hatte sich ein wenig gefasst, und in der eingetretenen Pause hatte sie Clarissas Geschichte überdacht und als gewiefte Lügnerin, die sie war, die verdächtigen Lücken darin entdeckt. „Wie war das, Clarissa, wie bist du doch gleich mit Lord Rasenby verblieben?“
„Wie gesagt, er gab zu, dass er keine Heiratsabsichten hat und dass er deinen Plan längst durchschaut hatte. Und da du jemand anderen liebst, wird er davon absehen, dir car te blanche anzubieten.“ Das war ja nicht gelogen, beruhigte Clarissa sich.
„Und sag, wie hast du schließlich ihn überreden können? Du musst dich ja sehr ins Zeug gelegt haben, immerhin warst du fast drei Tage fort.“
„Aber das habe ich doch schon erklärt. Zuerst zeigte er sich gar nicht geneigt, dann bestand er darauf, dass ich ihn auf seiner Jacht nach Frankreich begleite, und auf See war wegen des Wetters keine Zeit für Diskussionen. Und nun hör auf damit. Ich bin schrecklich müde. Reden wir morgen weiter. Jetzt ist nicht der geeignete Zeitpunkt.“
„Nein, nein, Schwesterchen, jetzt, solange die Erinnerung noch frisch ist. Weißt du, ich kann nicht glauben, dass Rasenby deiner Bitte
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