Ein Lord mit besten Absichten
verdrießlich an.
»Mylady«, sagte Beverly schließlich, »das ist … ich glaube nicht … das hat mich noch nie die Ehefrau eines meiner Herren gefragt.«
Die anderen Mätressen nickten.
»Und wo wir schon mal davon reden, ich kann Ihnen aufrichtig versichern, dass ich auch noch nie eine der Ehefrauen meiner Herren
getroffen
habe.«
Die anderen drei Mätressen nickten erneut.
»Das macht man einfach nicht.« Charlotte stimmte in ihr Nicken ein. »Es gehört sich nicht.«
»Ach, Charlotte, was weißt du denn schon davon?«, sagte Gillian stirnrunzelnd zu ihrer grinsenden Cousine. »Du dürftest nicht einmal hier sein.«
»Du hast mich aber hergebeten.«
»Was wohl ein Fehler war.«
»Ha!«
»Lady Weston, wenn Sie uns vielleicht erzählen würden, warum sie uns diese äußerst ungewöhnliche Frage gestellt haben, fiele es uns womöglich leichter, Ihnen eine Antwort zu geben.«
»Ach so. Na, das ist doch ganz einfach. Mein Ehemann hat seine erste Frau aus tiefstem Herzen geliebt …«
Laura stieß ein vornehmes Prusten ungläubigen Staunens aus.
»Ich bitte um Verzeihung, Laura? Haben Sie etwas gesagt?«
»Ich habe nur ungläubig geprustet, Mylady.«
»Ungläubig? Wegen etwas, das ich gesagt habe?«
»Ja, Mylady. Herren, die ihre Ehefrauen aus tiefstem Herzen lieben, nehmen sich keine Mätressen.«
Darüber dachte Gillian nach.
»Guter Standpunkt, Laura«, sagte Charlotte anerkennend. »Wenn Lord Weston seine Elizabeth so sehr liebte, Gilly, warum hatte er dann eine Reihe von Betthasen?«
Gillian kaute auf ihrer Lippe.
»Ich habe sie einmal gesehen«, sagte Anne mit piepsiger Stimme. »Im Drury Lane. Und zwar in der Loge eines anderen Gentlemans.«
Charlotte beugte sich vor. »Und?«
»Sie war … ähm … zärtlich zu ihm.«
Gillian blickte sie überrascht an. »Elizabeth? Nobles Elizabeth? Aber wenn sie … und wenn er … er Sie alle in seine Dienste …«
Das ergab doch keinen Sinn, was sogar sie, die nach einer Nacht in Nobles Armen nur noch halb bei Verstand war, erkennen konnte.
»Wenn ich Sie richtig verstehe, möchten Sie wissen, was Ihr Ehemann am liebsten … äh …« Madelyn zögerte weiterzureden und warf einen Blick auf Charlotte, die völlig hingerissen zuhörte.
»Ach so, reden Sie ruhig weiter«, beruhigte Gilian sie mit einem Seufzen. »Sie hat mich dazu gezwungen, ihr alle relevanten Details zu nennen. Und ich wage zu behaupten, dass sie inzwischen mehr weiß als wir alle zusammen.«
»Gewarnt sein heißt bewaffnet sein«, erklärte Charlotte weise. »Ja, fahren Sie nur fort, Madelyn. Wir können es kaum erwarten.«
Die Fahrt zu seinem Haus war der reinste Albtraum. Man hätte meinen können, dass die Straßen vor ihm immer enger wurden. Wohin Noble auch schaute, überall waren rücksichtslose Narren, die nicht wussten, wie man eine Kutsche fährt, umgekippte Karren, Hunde, die hervorsprangen und die Pferde erschreckten, und kleine, hin- und herflitzende Kinder sowie eine Reihe anderer Verzögerungen, die ihn bei der Rückkehr zu seiner Familie aufhielten, wo er doch so dringend gebraucht wurde.
Er hatte drei Bow Street Runners, jeden mit einer besonderen Aufgabe, an strategischen Punkten um sein Haus postiert, doch als er die Worte las, die sich unauslöschlich in sein Gedächtnis gebrannt hatten, kam ihm der Gedanke, dass drei vielleicht nicht genug waren.
Zur Hölle, eine kleine Armee würde nicht ausreichen, um seine geliebte Gillian zu beschützen. Er dachte daran, wie sie heute Morgen ausgesehen hatte, als es ihm endlich gelungen war, das Bett zu verlassen – satt und zufrieden auf dem Rücken schlafend, das Haar wie ein feuerroter Pfad auf weißen Kissen, mit rosig glänzenden Wangen und einem Lächeln im Gesicht.
Er nahm sich vor, seinen Diener loszuschicken, um noch mehr von diesen Ölen zu beschaffen, ehe seine Gedanken zu diesem gottverdammten Mörder McGregor zurückkehrten. Konnte Harry mit seiner Einschätzung richtigliegen, dass der wahre Schurke ein ganz anderer als der Schotte war? Und wenn ja, wer? Wer hasste ihn so sehr, dass er versuchte, erst seine Ehe und jetzt auch noch Gillian zu zerstören?
Gillian. Sobald er sich vergewissert hatte, dass sie wohlauf war, würde er sie mit nach oben nehmen und ihr die nächsten Punkte auf seiner Liste zeigen. Natürlich nur zu ihrer eigenen Sicherheit, nicht etwa um seine Grundbedürfnisse zu befriedigen – wenn er nämlich dafür sorgte, dass sie sein Bett vor lauter Erschöpfung nicht verlassen
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