Ein Lord mit besten Absichten
Weinbrandglas entgegen. Wie Weston trug auch er schwarze Abendgarderobe, womit sie einen Kontrapunkt zu Sir Hughs smaragdgrüner Weste und dessen Jacke und Hose in Indigoblau setzten. Weston hatte den Eindruck, einen Pfau vor sich zu haben, als der jüngere Mann sich nervös umblickte, um festzustellen, wer noch anwesend war. Dabei spielte er mit seinen Uhrbändern, seinem Lorgnon und den beiden großen Smaragdringen, die seine dicklichen Finger schmückten. Sicherlich wusste er, dass es keine echten Steine waren.
»Wo bist du gewesen?« fragte Rosse den Earl und lehnte sich zurück. »Ich dachte, du würdest Mariah zur Aufführung ins Lyceum mitnehmen. Sie und Alice haben heute über nichts anderes geredet.«
Weston rieb sich über die Lippen und genoss das Brennen des Brandys in seiner Kehle, ehe der seinen Magen mit wohliger Wärme erfüllte. Seine Augen verengten sich, als ein Bekannter auf die drei zukam, dann aber auf dem Absatz kehrtmachte, als er den Earl erblickte, und den Raum verließ. Ein weiteres Mal, dass man ihn schnitt. Was zudem immer offener geschah. »Ist dir schon einmal in den Sinn gekommen, dass unsere Mätressen ein großes Mitteilungsbedürfnis untereinander haben, wenn es um unsere privaten Pläne geht?«
Sir Hugh schnaubte, während Rosse grinste. »Die beiden sind Zwillinge, Noble. Und sie reden gerne. Ich denke, da ist es nur natürlich, dass sie sich uns teilen, sozusagen.«
»Da hast du wahrscheinlich recht, obgleich es nicht mehr von Belang ist. Ich werde Mariah morgen den Laufpass geben.« Weston zog ein silbernes Zigarrenetui aus seiner Jacke und bot seinen Freunden an, sich zu bedienen. Sofort sprang ein Diener herbei, um den Herren Feuer zu geben.
»Bist du ihrer schon überdrüssig?«, fragte Sir Hugh erstaunt. Weston blieb selten für längere Zeit bei einer Mätresse, doch Mariahs Dienste nahm er erst seit zwei Wochen in Anspruch.
»Allerdings. Ich kann ihr ständiges Geplapper nicht mehr ertragen, doch das ist nicht der Grund, warum ich zukünftig auf ihre Dienste verzichte. Ich werde in drei Tagen heiraten, und sosehr es die Gesellschaft auch schockieren dürfte, wenn sie es wüsste … aber ich habe vor, mich an mein Ehegelöbnis zu halten.«
Rosse und Sir Hugh verschluckten sich gleichzeitig an ihrem Brandy. Als Rosse nach fünf Minuten endlich wieder atmen konnte, ohne zu keuchen, rückte er seine Brille gerade und blickte seinen Freund durchdringend an.
»Wer ist denn die Glückliche?«
»Gillian Leigh.«
»Miss Leigh? Die Amazone?« Sir Hughs Stimme überschlug sich, und er ließ fast sein Glas fallen. »Großer Gott, Weston, hast du den Verstand verloren? Sie ist ein Niemand! Auch wenn sie mit Collins verwandt ist – du kannst sie unmöglich heiraten.«
Anders als dem Marquis entging Sir Hugh in seiner Aufregung das bedrohliche Schweigen, in das der Earl verfiel.
»Tolly …«, setzte er an, den Freund zu warnen.
Weston hob eine Hand. »Nein, lass ihn ruhig weiterreden, Harry. Ich würde gern erfahren, welch Worte der Weisheit unser junger Freund uns mitzuteilen hat.«
Unter dem spöttischen Blick der grauen Augen sprudelte es nur so aus Sir Hugh heraus. »Also wirklich, Weston, du willst mich wohl zum Narren halten! Das kann nicht dein Ernst sein – ein Mann von deinem Rang kann doch kein mittelloses junges Ding aus den Kolonien heiraten, ganz egal, wie sehr er sie in seinem Bett haben will. Biete ihr dein Haus in Kensington an, wenn du mit ihr fertig bist, aber verschwende doch um Himmels willen nicht deinen Namen an eine derart unpassende Person, Mann!«
Weston hielt seinen Blick starr auf den Baronet gerichtet, der allmählich ins Schwitzen geriet. Sein Gesicht wirkte wie versteinert, und Rosse bemerkte, dass seine Finger sich vor Anspannung weiß gefärbt hatten. »Sieh dich vor, Tolly, du sprichst von meiner zukünftigen Braut«, warnte Weston leise, in drohendem Ton.
Rosse bewegte sich unbehaglich in seinem Sessel. Obwohl er beide Männer schon seit vielen Jahren kannte, hielt er es durchaus für möglich, dass diese Sache, der langen Freundschaft zum Trotz, mit einer Herausforderung zum Duell enden könnte, wenn Tolly seine Tirade fortsetzte. Rosse entschloss sich, die Situation zu entschärfen, so gut er konnte.
»Ich bin mir sicher, dass Tolly sich nicht in deine Angelegenheiten einmischen wollte, Noble. Deine Ankündigung hat ihn ebenso überrascht wie mich – du hast dir für die Suche nach einer passenden Countess nicht gerade viel Zeit
Weitere Kostenlose Bücher