Ein Lord mit besten Absichten
genommen. Ich weiß, dass du ein Meister darin bist, organisiert und effizient zu handeln, aber meinst du nicht auch, dass es mehr als zweier Begegnungen bedarf, um die junge Frau kennenzulernen?«
»Nein, meine ich nicht.«
Der Blick, den Weston seinem alten Freund zuwarf, war eine einzige Warnung, doch Harry grinste nur. »Und was die Wahl deiner Braut betrifft – verzeih mir, alter Freund, aber hast du nicht gerade erst vorgestern Abend sehr detailliert all die Attribute aufgezählt, die deine Ehefrau besitzen sollte?«
»Ja, das habe ich.« Rosse war erleichtert zu sehen, wie einer von Westons Mundwinkeln bei seiner Antwort zuckte. Nur Harry konnte es sich erlauben, den Earl auf diese Weise zu reizen. Er verdankte das weitgehend der Tatsache, dass sie auf benachbarten Landsitzen aufgewachsen waren. Das und das unaussprechliche Ereignis vor fünf Jahren hatten dafür gesorgt, dass die beiden sich näherstanden als so manches Bruderpaar.
»Ich gebe gern zu, dass Miss Leigh einen äußerst sinnlichen Körper besitzt« – Sir Hugh ignorierte Westons unheilvolles Stirnrunzeln – »aber sie verfügt wohl kaum über die Voraussetzungen für eine Countess. Es gibt bestimmt irgendein anderes junges Ding – eines
von hoher Geburt
–, das besser zu dir passt.«
Ganz der Streitschlichter beeilte Rosse sich, seinen Freund abzulenken. »Mir gefällt sie, Tolly. Sie ist irgendwie anders, und ich bin sicher, dass Noble weiß, was er tut.«
Zum Dank verneigte Weston sich knapp in Richtung seines Freundes.
Sir Hugh spielte mit dem Band seines Lorgnons und wirkte gedankenverloren. Seine Augen glänzten beinahe fiebrig, als er den Earl eindringlich ansah. »Warum ausgerechnet sie?«, fragte er schließlich. »Du hast sie doch erst zwei Mal gesehen – warum die Amazone?«
Weston betrachtete sein Brandyglas, das er geistesabwesend schwenkte. »Jeder Mann, der über Intelligenz und einen klaren Verstand verfügt, ist bereits bei der ersten Begegnung in der Lage, sich eine Braut auszusuchen. Und da ich Letzteres von mir behaupten kann, wenn nicht sogar Ersteres, fiel es mir nicht schwer, das Angebot zu sichten und eine vernünftige Wahl zu treffen.«
»Dir ist klar, dass sie diejenige war, die neulich Abend das Haus der Lincolns in Brand gesteckt hat? Nach Lady Dells Worten ist deine Auserwählte nicht unbedingt mit Geschick gesegnet«, gab Sir Hugh zu bedenken.
Als Weston an ihren gemeinsamen Walzer dachte, kräuselte sich auch sein zweiter Mundwinkel. Sie hatte ihr Bestes gegeben – mit dem Ergebnis, dass sie seine Füße öfter getroffen hatte als das Tanzparkett. Dennoch hatte er ihre natürliche Anmut wahrgenommen, und ihm war nicht entgangen, dass sie sich mit der Grazie und der Majestät eines Schwans bewegte, wenn sie einfach nur sie selbst war. Und dann war da noch die Wärme, die er in ihrer Nähe empfand, eine Wärme, die sich Schicht für Schicht durch den Eismantel um seine Seele fraß und ein schwaches Glimmen in seinem tiefsten Innern auslöste.
»Wir werden schon gut miteinander auskommen.«
»Was ist mit …« Rosse zögerte, das Thema anzusprechen, hegte jedoch große Bedenken, sein Freund könnte uncharakteristischerweise auf dem besten Wege sein, eine übereilte Entscheidung zu treffen. »Was ist mit Nick?«
Noble hob eine seiner tiefschwarzen Brauen. »Was sollte mit ihm sein?«
Rosses Blick sprang kurz zu Tolliver, ehe er zu seinem Freund zurückkehrte. »Willst du ihn ihr anvertrauen?«
»Ich glaube, dass sie ihm guttun wird. Gibt es einen Grund, warum ich ihr meinen Sohn nicht anvertrauen sollte?«
Rosse betrachtete seinen Brandy. »Nein, natürlich nicht. Ich habe mich nur gefragt, ob dir überhaupt … wohl dabei wäre, wenn du ihr den Kontakt zu ihm gestattest, nach allem, was der arme Bursche durchmachen musste, als er mit einem Jahr seine Mutter verlor und danach mit …«
Weston fühlte sich, als heulte plötzlich ein eisiger Wind durch sein Innerstes. »Elizabeth?«
Rosse nickte, während sich seine Stirn in Falten legte. »Du hast geschworen, ihn nie wieder einer Frau anzuvertrauen. Es fällt mir schwer zu glauben, dass du nach nur zwei Begegnungen bereits so eine hohe Meinung von Miss Leigh hast, dass du bereit bist, ihn in ihre Obhut zu geben.«
»Sie wird eine hervorragende Stiefmutter sein«, erwiderte Weston, wobei sein angespannter Kiefer im Widerspruch zu der Sturheit stand, die hinter seiner Behauptung steckte.
Rosse beugte sich vor. »Noble, was hat diese Frau an
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