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Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Titel: Ein Lord zu Tulivar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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eben doch nur Tiere für mich gewesen.
    Für das Land – und damit für Neja – musste es aber ganz anders aussehen. Sie mussten dies als empfindlichen Verlust wahrnehmen, als den massenhaften Tod ihrer eigenen »Leute«, als ein großes Opfer in einem Kampf, der doch letztlich eigentlich gar nicht der ihre war.
    Neja beobachtete mich genau.
    Wahrscheinlich wusste sie, welche Gedanken in meinem Kopf wirbelten. Sie ließ mir Zeit, bis ich aufblickte, fast verlegen, aber um einiges weniger besorgt, entsetzt oder verängstigt als vorher.
    »Ich habe das nicht gemeint«, sagte ich dann ganz ehrlich. »Aber es war wohl nötig, dass du mich darauf hingewiesen hast.«
    Neja neigte den Kopf. »Wir sollten andere Lösungen für diese Probleme finden, Baron. Die Kraftanstrengung war groß, der Blutzoll gewaltig, und wir fühlen uns beide nicht wohl dabei. Wir können nicht immer deine Schlachten schlagen, und vor allem können wir aus diesen nicht immer siegreich hervorgehen. Du wirst dir etwas anderes überlegen müssen.«
    »Das stimmt«, sagte ich leise und kratzte mich am Kopf. »Es sind zwei Dinge, die mich beunruhigen: diese fremden Söldner und der Einfluss der Levellianer.«
    »Du musst dir Gewissheit über beides verschaffen«, meinte Neja.
    Ein Gedanke, der bisher eher ungeformt in meinem Bewusstsein geschlummert hatte, brach nun in plötzlicher Klarheit hervor. Ich wusste, was als Nächstes zu tun war, und in der Tat konnte Neja mir hier nicht helfen.
    »Ich werde nach Norden reisen müssen, zum Kap, zu dem Ort, wo einst eine Stadt zu finden war … und möglicherweise wieder eine errichtet worden ist«, sagte ich laut.
    Die Sprecherin nickte. »Das wird wohl notwendig sein. Berichte mir, wenn du zurückkommst.«
    »Das wird nicht so bald geschehen. Ich habe ein vordringlicheres Problem. Es sind die Feinde im Inneren, die mein Verhängnis werden könnten. Diese mysteriöse Siedlung im Norden und ihre Soldaten – das war ein Werkzeug in den Händen der Levellianer. Anders kann ich es nicht sehen.«
    Sie sprang vom Sofa auf, warf dabei einige abgenagte Hühnerknochen zu Boden und reckte sich. Dabei fiel mir auf, dass …
    Nejas Blick begegnete meinem und sie lächelte ihr seltsames Reißzahnlächeln.
    »Du wirst Vater, Baron«, sagte sie mit einem leicht hämischen Unterton. »Ich schätze irgendwas zwischen sechs und zehn in einem Wurf.«
    Ich öffnete den Mund und schloss ihn wieder, sah, wie Neja sich abwandte, mir für einen Moment provozierend ihr felliges Hinterteil entgegenreckte und dann mein Haus verließ.
    Erst als sie gegangen war, sah ich Dalina im Türrahmen stehen und mich angrinsen.
    Ich hob entschuldigend die Hände, doch sie schüttelte nur den Kopf.
    »Das mache jetzt aber bitte nicht zur Regel«, erklärte sie mahnend.
    Ich hob die Rechte zum Schwur an mein Herz. »Ich bin nicht Selur«, sagte ich. »Ich habe es nur zum Wohle Tulivars getan! Und du hast es gewusst, sogar noch vor mir.«
    Dalina war eine Frau. Argumente hatten nur dann Sinn, wenn sie dem aktuellen Ansinnen dienten. Störten sie, wurden sie ignoriert. Sie warf mir einen langen Blick zu, formte die Lippen zu einem lautlosen, verächtlichen »Männer!«, warf den Kopf und zurück und stolzierte davon.
    Die Versöhnung, die nun notwendig war, obgleich ich gar nicht im Unrecht stand – aber bei den Göttern, wen interessierte das? –, würde teuer werden, dessen war ich mir sicher.
    Und das Schlimmste war, dass sich Selur bei Neja bereits erkundigt hatte, ob er nicht auch einmal …
    Gar nicht auszudenken.
        
     

30   Ein Graf zu Bell
     
    Die Dinge fingen an, mich ernsthaft zu ermüden.
    Meine ursprüngliche Hoffnung, als ich mich mit dem Amt eines Barons zufriedengestellt hatte, war gewesen, endlich für eine Weile meine Ruhe zu haben.   Lange Jahre war ich durch die Weltgeschichte gereist, bei jedem Wetter, zu Pferde, auf Wagen, auf Booten und Schiffen, oft genug zu Fuß, in jeder möglichen Landschaft: Wald, Wiese, Wüste, Sümpfe und Moraste, Flüsse und Seen, der Ozean schließlich. Ich hatte wirklich nie gekniffen, wenn es darum ging, Entfernungen zurückzulegen. Es gab keinen Winkel des Imperiums, angrenzender kleiner Staaten sowie des ehemaligen Reiches unserer Feinde (nun zerfallen in unzählige sich bekämpfende Diadochengebiete, von jenen Teilen abgesehen, die wir dauerhaft erobert hatten), den ich noch nicht besucht hatte.
    Ich war es so satt.
    Ich wollte doch nur ein kleiner Landbaron sein, gemütlich in

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