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Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Titel: Ein Lord zu Tulivar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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wurden erfasst und verteilt, ebenso Häuser von Stadtbauern, die nicht mehr bewohnt waren. Parzellen wurden zugewiesen, Wasserrechte diskutiert. So schlimm der Verlust von Felsdom für die Flüchtlinge auch war, die Stadt Tulivar würde stark profitieren. Ganze, bisher brachliegende Stadtviertel würden nun plötzlich wieder mit Leben gefüllt und manche halb verfallene Ruine hatte die Aussicht, wiederhergestellt zu werden.
    Schließlich aber war die entscheidende Konfrontation nicht mehr hinauszuzögern.
    Ich ritt zurück zum Turm. Selur und Woldan hatten alle in Alarmbereitschaft versetzt, als auf einem noch recht weit entfernten Hügel die Kolonne der Söldner sichtbar geworden war. Frederick hatte seine Familie schon tags zuvor in die Stadt evakuiert, also waren wir auf dem Gehöft auf uns gestellt.
    Ich rief alle Männer zusammen. Ich hatte Neuigkeiten.
    »Freunde, wir werden den Turm hoffentlich nicht verteidigen müssen. Wir nehmen an der Straße nach Tulivar Aufstellung, etwa 500 Meter von der Stadtgrenze entfernt.«
    Verständnislose Blicke begegneten mir.
    »Ich will nur eines von euch: Sollte mein Plan schiefgehen, schwingen wir uns auf die Pferde und eilen zum Turm. Wir werden ihn in jedem Falle vor den Söldnern erreichen. Dann gilt der alte Plan. Aber ich will zuerst etwas anderes ausprobieren und hoffe sehr, dass wir die Klingen nicht ziehen müssen.«
    »Wie sieht der Plan aus, Hauptmann?«, fragte Woldan.
    »Wir werden zuschauen, das ist alles«, erwiderte ich.
    »Wem werden wir zuschauen?«
    »Ich habe eine größere Zahl von Bürgern Tulivars gebeten, sich zu uns zu gesellen. Unbewaffnet natürlich. Ich bin zuversichtlich, dass sie meiner Bitte folgen werden.«
    »Was sollen sie tun?«, fragte Selur.
    »Auch nur zuschauen.«
    Die Quantität verständnisloser Blicke hatte sich durch diese Antwort nicht reduzieren lassen, und ich war mir der Tatsache schmerzhaft bewusst, dass ich ein großes Vergnügen daran hatte, die Männer im Unklaren zu lassen.
    »Wir bleiben am Straßenrand stehen. Und dann schauen wir, was passiert. Wenn die Sache außer Kontrolle gerät, gebe ich den Befehl zum Rückzug.«
    »Welche Sache?«, insistierte Woldan.
    »Warte es ab.«
    Das Gute war, dass die Männer zum Teil seit vielen Jahren mit mir zu tun gehabt hatten. So seltsam mein Verhalten ihnen auch vorkommen mochte, so sehr hatten sie Vertrauen in meine Fähigkeit, das Richtige zu entscheiden. Ich war mir nicht sicher, ob ich dieses Vertrauen tatsächlich verdiente, aber bisher waren alle recht gut damit gefahren.
    »Sollen wir eine Wache zurücklassen?«, fragte Lorkos schließlich. Der Mann war von seinen Verletzungen genesen und wieder voll einsatzbereit.
    »Nein.«
    »Den ›Sergeanten‹ vielleicht?«
    »Nein, wir gehen alle.«
    Meine letzte Aussage musste einen sehr endgültigen Unterton gehabt haben, denn es folgten keine weiteren Fragen.
    Es dauerte keine halbe Stunde, dann standen wir in einer Reihe am Wegesrand. Die Stimmung war nicht allzu gut. Die meisten meiner Kameraden hielten mich vermutlich entweder für leichtsinnig oder für ein wenig verrückt. Wahrscheinlich sogar für beides. Ich heftete meinen Blick gen Süden, von dort war die anrückende Kolonne der Söldner gut zu erkennen. Ich schaute nach Norden, von dort spazierte eine gemischte Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern Tulivars auf uns zu. In meinem Magen rumorte es. Es war ein anderes Gefühl als diese Gelassenheit und Abgebrühtheit vor dem Kampf. Es war … eine Aufregung, die ich lange nicht mehr empfunden hatte. Ich wertete das als ein gutes Zeichen.
    Es dauerte nicht lange, und ein Reiter löste sich von der Söldnertruppe und trieb sein Tier in unsere Richtung. Er trug ein weißes Banner und war somit ein Parlamentär. Die Söldner selbst legten eine Pause ein, um abzuwarten, was das sich anbahnende Gespräch ergeben würde. Ich trat einige Schritte vor und betrachtete den Ankömmling neugierig.
    Es war ein älterer Mann, in den späten Vierzigern, von stattlicher Erscheinung. Er atmete »imperialer Hof« aus jeder Pore aus. Als er sein Pferd gezügelt hatte und abstieg, wusste ich, worauf ich zu achten hatte, und in der Tat wurde unter seinem Ärmel das Tattoo einer gewissen Adelsfamilie sichtbar, das mir erst vor Kurzem bei einem anderen Mann entgangen war. Ich war beruhigt, dass das Leben auf dem Land meine Fähigkeit, die richtigen Schlüsse zu ziehen, noch nicht grundsätzlich beeinträchtigt hatte.
    Ich ging einige Schritte auf den

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