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Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Titel: Ein Lord zu Tulivar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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sonderlich geneigten Bewohner der Stadt hielten es für notwendig, auch nur in den kleinsten Jubel auszubrechen. Dem guten Mann schlug eher so etwas wie konsternierte Stille entgegen.
    Ein Rabe krächzte laut. Vielleicht wollte er sich von mir lossagen.
    Der Stattliche merkte rechtzeitig, wie es um die Wirkung seiner rhetorischen Fähigkeiten bestellt war. Ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen, bestieg er sein Pferd und ritt zu seinen Männern zurück. Ich sah ihm einen Augenblick nach, dann wandte ich mich an die versammelte Menge. Außer meinen Soldaten hatten sich gut 50 Bewohner Tulivars eingefunden, die mich nun erwartungsvoll ansahen.
    »Wir warten!«, war alles, was ich zu sagen hatte.
    Unsere Wartezeit dauerte nicht lange. Kaum hatte der Mann seine Söldner erreicht, gingen diese in eine mir sattsam bekannte Formation, ein geschlossenes Quadrat, eine Phalanx, mit etwa zehn zu zehn Männern, die Kavallerie im Hintergrund bleibend. Da wir ja offensichtlich, so zumindest die Annahme meiner Gegner, die Feldschlacht suchten, wollte man nicht lange mit dem Beginn der Feindseligkeiten warten. Es wurde bald dunkel, aber nicht ganz zu Unrecht nahm man an, dieses Problem schnell gelöst zu haben. Die Bewohner Tulivars waren ja nicht einmal bewaffnet. Wie sollten sie gegen wohlgerüstete und kampferfahrene Veteranen bestehen?
    Dann marschierte die Phalanx festen Schrittes auf uns zu. Wir standen nur so herum, die Waffen gesenkt, und obgleich die Bewohner der Stadt etwas Angst zeigten, ließ ich sie einige Schritte nach vorne kommen. Dann entrollte ich das weiße Banner, das ich bereitgelegt hatte, und fixierte die heranmarschierenden Soldaten. Es dauerte nicht lange, dann waren die Söldner deutlich zu erkennen, man konnte gut Gesichter ausmachen, und auch die Söldner selbst konnten erkennen, wer hier versammelt war.
    Die Phalanx wurde langsamer, als sie sich uns bis auf wenige Schritte genähert hatte. Der Hauptmann der Söldner machte angesichts unserer wenig militärischen – und mithin wenig bedrohlichen – Aufstellung einen eher verwirrten Eindruck. Er blickte Hilfe suchend nach hinten, wo er seinen Zahlmeister vermutete, der sich auf einem Pferd zurückhielt. Von dort kam keine Hilfe. Der Verantwortliche für dieses Aufeinandertreffen war der Überzeugung, dass seine Befehle eindeutig gewesen waren, und beließ es bei einer herrischen Handbewegung.
    Da wollte jemand Ergebnisse sehen, und das schnell.
    Ich hob sicherheitshalber das weiße Banner und schwenkte es ein wenig hin und her. Das entmutigte den Hauptmann erneut. War das eine Kapitulation? Würde man sich den unangenehmen Teil der ganzen Aktion etwa sparen können? So etwas wie Hoffnung machte sich auf den Gesichtern der Söldner breit. Richtig eifrig bei der Sache war hier offensichtlich niemand.
    »Theobald! Wirst du da aber sofort rauskommen!«
    Es war die keifende Stimme der alten Netty. Die rüstige alte Dame hatte es sich keinesfalls nehmen lassen, diesem bemerkenswerten Vorgang beizuwohnen. Nun machte sie einige resolute Schritte nach vorne, streckte ihren dürren rechten Arm aus und zeigte direkt auf einen Söldner in der zweiten Reihe, der sie völlig entgeistert ansah.
    »Theobald Rohan Fagg! Was soll eigentlich deine Mutter dazu sagen? Kommst hier nach Hause marschiert und bedrohst unsere Stadt! Habe ich dir nichts Besseres beigebracht? Na warte, wenn du nach Hause kommst! Ehe deine Mama dich erwischt, bekommst du von mir eine ordentliche Tracht Prügel!«
    »Ta… Tante Netty?«, brach es aus dem Mann hervor.
    »Ja, was dachtest du denn? Hör sofort mit dem Blödsinn auf! Man könnte ja meinen, du meinst es ernst!«
    Es gab Unruhe in den Rängen der Söldner, als Theobald Rohan Fagg, ein junger Soldat Anfang 20, sich nach vorne schob, seine Waffen fallen ließ und sich mit einem tiefen Schluchzen in die Arme der alten Netty warf, die ihn mit Kraft an sich drückte. Trotz ihrer scharfen Worte war ihr Gesicht sofort mit Tränen überströmt.
    Alle starrten auf die Szene. Der Söldnerhauptmann öffnete seinen Mund, um irgendeinen Befehl zu geben. Doch dazu kam es nicht.
    Der Sergeant taumelte nach vorne. Er ging, als sei er betrunken. Zitternd hob er seine Hände nach vorne, dann machte er einen weiteren Schritt, erreichte den Söldnerhauptmann, brach vor ihm auf die Knie, völlig fassungslos und aufgelöst. Der Hauptmann wollte den alten Mann fortstoßen, der plötzlich sein Bein umklammerte, dann aber weiteten sich seine Augen und er

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