Ein Lord zu Tulivar (German Edition)
rege mich nicht auf.«
»Dein Gesicht sagt etwas anderes.«
»Ich habe andere Befürchtungen.«
Neja machte eine Pause. »Du wirst niemals die Kontrolle verlieren, Baron.«
Ich seufzte. »Ich soll in den Körper eines deiner Artgenossen schlüpfen und mit dir die Grenze erkunden. Ich werde sehen können, riechen, fühlen, laufen …«
»Sprechen.«
Ich verzog mein Gesicht. »Ich kann mir vorstellen, dass Throcius sehr barsch reagieren würde. Auch er hat im Krieg gedient.«
Ich würde dem Söldnerhauptmann nicht einmal einen Vorwurf machen. Ich hatte erlebt, wie Bannmagier die Seelen von Soldaten aus ihren Leibern gesogen hatten, dann in Tiere verpflanzt; Kühe, Hunde, um dort zu leichten Opfern zu werden. Ihre eigenen, menschlichen Körper waren dann mit Dämonen gefüllt worden, die sich in die gegnerischen Reihen einschlichen und für Zerstörung und Verrat sorgten. Erst der Sieg über die Bannmagie hatte diesem finsteren Treiben ein Ende gesetzt. Ich war daran nicht ganz unbeteiligt gewesen.
»Ich verliere nicht die Kontrolle?«, vergewisserte ich mich.
»Dein Körper bleibt im Schutz deiner Männer«, fügte sie hinzu.
»Und ich verliere nicht die Kontrolle?«
Neja sah mich nachsichtig an. »Du hast die volle Herrschaft über den Gastkörper und du wirst dich jederzeit aus ihm zurückziehen können.«
Ich sah offenbar nicht überzeugt aus.
»Baron, letztlich läuft es doch auf die eine Frage hinaus: Vertraust du mir oder nicht?«
Da hatte sie recht. Das war die Frage. Ich sah in mich hinein und stellte fest, dass ich durch den Schleier der Angst nicht viel erkennen konnte. Es ging ja auch um mehr als nur eine Kundschaftermission. Es ging auch darum, den Bund auf Zeit, auf Probe, endgültig zu besiegeln. Das war Nejas Angebot gewesen – oder eine Forderung? Ich wusste nicht so recht zwischen beidem zu unterscheiden.
Bisher hatte mir der Bund nur Gutes gebracht. Die Aussaat hatte sofort Wurzeln geschlagen. Der Regen kam zur rechten Zeit. Vergeblich suchten die aufmerksamen Bauern nach Ungeziefer. Die Fischgründe waren reichlich. Es gab keine allzu wilden Frühlingsstürme. Alles war, wenn nicht perfekt, dann doch nahe daran. Als zwei Kinder sich im Wald verirrten und dadurch den Weg zu ihren Eltern zurückfanden, indem sie drei furchtbar süßen, schnatternden Eichhörnchen wieder herausfolgten, hatte der Bund bewiesen, dass er es ernst meinte. Zumindest erweckte es den Anschein. Und irgendwann musste ich ja einmal die Entscheidung treffen.
Aber ich hatte Angst.
Daraus musste ich die einzig zulässige Konsequenz ziehen, wie immer, wenn ich Furcht empfand: Ich raffte meinen Mut zusammen und sprang über die Angst hinweg.
»Das ist für mich ein sehr großer Sprung ins Leere, Neja«, sagte ich ernst. »Ein sehr, sehr großer Sprung.«
Ich dachte, dass ich meine Stimme normalerweise ganz gut unter Kontrolle hatte, aber da war dann doch ein Zittern zu hören, ganz sachte. Neja war keine, die etwas überhörte.
»Dann springe nur, Baron. Du wirst dieses Ritual in der Zukunft durchaus zu schätzen wissen. Und es ist notwendig, um deinen Bund mit dem Land zu vollenden.«
»Ist es das?«
Sie nickte nur.
»Was ist mit den Schamanen der Bergkrieger? Schamanen sind gut in Naturzaubern.«
Neja machte eine abfällige Geste. »Kein Schamane bricht den Bund. Und wir bleiben auf dem Land. Dort haben wir jederzeit die Oberhand.«
»Das Kastell und die Mine sind aber doch eher jenseits der Grenze zu finden.«
»Nein, das verstehst du nicht. Die Männer dort sind doch letztlich von dir geschickt und ihre Anwesenheit von dir sanktioniert worden.«
»Ja, das könnte man …«
»Eben. Der Bund wirkt durch dich als Person, deine Entscheidungen, dein Handeln. Das Land folgt deinem Willen, solange der Bund gilt. Die Bergstämme haben keine gleichartige Verpflichtung etabliert.«
Ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich so genau wissen wollte, was dieser Bund noch im Einzelnen bedeutete. Ich erwartete, dass mir da noch die eine oder andere Überraschung bevorstand.
Ich raffte mich also auf.
»Gut. Neja, ich mache es. Der Bund wird besiegelt und ich vertraue dir.«
»Schön«, erwiderte sie in einem Tonfall, als hätte sie nichts anderes erwartet. Das hatte sie wahrscheinlich tatsächlich nicht. Frauen waren manipulativ, auch dann, wenn sie von Fell überdeckt waren.
»Ich werde noch heute Nacht zur Grenze aufbrechen und mich dort mit Loka treffen, der dein Gastgeber sein wird«, erklärte sie. »Wir
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