Ein Lord zu Tulivar (German Edition)
würde die Arbeiter alle noch morgen früh zurück Richtung Tulivar entsenden. Es ergab keinen Sinn, ihr Leben in diesem Kampf zu riskieren. Es würde die Goldproduktion für Wochen unterbrechen, aber letztlich musste erst einmal geklärt werden, wem das Gold eigentlich gehörte, und da waren der Hetman und ich derzeit unterschiedlicher Ansicht.
Ich wanderte durch das frisch eingehängte zweite Tor und ging auf das Hauptgebäude zu, in dem ich Throcius wusste. Es gab einiges zu bereden.
Und die Sprecherin könnte sich langsam mal melden, wie ich fand.
28 Die Schlacht um das Kastell
Wer sich stattdessen meldete, war der Hetman. Und dieser kam nicht allein.
Unsere Späher hatten den Vormarsch der Bergkrieger gut im Blick. Wir wurden durch das Auftauchen der Marschkolonne im Tal nicht überrascht, und wussten schon lange vorher recht genau, wie viele Männer der Anführer der Stämme mit sich führte. Auch hatten wir unsere Kenntnisse über die Ausrüstung der Gegner verfeinert. Bis auf die letzte Nacht, in der wir strikte Ruhe für alle angeordnet hatten, waren die Soldaten eifrig am Ausbau des Kastells beteiligt gewesen. Das Lager der Arbeiter war abgebrochen worden, die wertvolle Ausrüstung hinter den Palisaden verstaut und die Zivilisten ihres Weges geschickt. Die Arbeiter waren nicht sehr erfreut gewesen, die erkennbar lukrative Arbeit so schnell wieder beenden zu müssen, aber als die Erkenntnisse der Späher über die Stärke des Feindes sich herumsprachen, wollte dann doch lieber keiner bleiben. Ich versprach, sie zurückzurufen, wann auch immer das Problem einer Lösung zugeführt wurde, befahl aber in unmissverständlichen Worten, den eigenen Rückzug nicht zu verschleppen und direkt nach Tulivar zurückzukehren. Ich ging zwar nicht davon aus, dass der Hetman uns würde besiegen können, aber die Erfahrung sagte mir, dass viele unverhoffte Dinge passieren konnten, im Krieg wie in der Liebe, und von beidem hatte ich so meinen Anteil gehabt. Throcius war meiner Ansicht und so bereiteten wir uns auf den Sieg ebenso wie auf die Niederlage vor.
Als Erstes gab es jedoch einen Parlamentär.
Das war insofern überraschend, als ich den guten Hetman nicht für einen großen Verhandler gehalten hatte. Andererseits wusste ich ja, dass er geeignete Berater aus dem Imperium hatte, die möglicherweise dafür sorgten, dass er sich den feineren Sitten von Kriegskunst und Diplomatie öffnete. Jedenfalls marschierte jemand mit weißer Flagge auf uns zu.
»Wir lassen ihn nicht herein«, murmelte Throcius. »Ich will nicht, dass er unsere Stärke sieht oder unsere Verteidigungsanlagen.«
»Ich treffe ihn vor dem Tor. Haltet Bogenschützen bereit«, war meine Erwiderung. Er nickte nur. Ich setzte meinen Plan sogleich in die Tat um, ließ das Tor öffnen und marschierte dem Emissär einige Schritte entgegen. Ich war dann doch etwas verblüfft: Der Botschafter des Hetmans war der Mann mit der Tätowierung der Levellianer, der Einflüsterer meiner Gegner aus der imperialen Hauptstadt.
Er kam näher, senkte die Flagge, als wir auf Hörweite waren, und blieb stehen. Ich sagte nichts, sondern starrte ihn auffordernd an.
»Ich bringe Euch die Grüße des Hetmans«, sprach er schließlich. »Er fragt, was der Baron von Tulivar mit dieser Invasion seiner Ländereien bezweckt.«
»Das Gleiche, was der Hetman mit der Invasion meiner Ländereien bezweckt hat«, antwortete ich und verzog mein Gesicht zu einem hoffentlich spöttischen Lächeln.
»Ihr errichtet hier einen permanenten Posten, eine Siedlung. Das ist etwas anderes.«
»Wir begehen organisierten Diebstahl, genauso wie der Hetman. Wir machen es aber richtig und sind keine Amateure. Dass dies den Hetman wurmt, kann ich gut verstehen.«
Der Mann war ob meiner klaren Worte verblüfft. Er hatte wohl erwartet, dass ich mit ihm einen kleinen rhetorischen Tanz veranstalten würde. Aber mir war gerade nicht danach.
»Dies ist ein kriegerischer Akt gegen die Nation der Bergvölker!«
»Gegen die … was?«
»Der Hetman repräsentiert den gesamten Norden und ist der rechtmäßige Herrscher!«
»Bis auf dieses Tal, das gehört jetzt dem Imperium.«
»Ihr handelt im Auftrag des Imperators?« Der Mann musste vorsichtig sein. Er wusste nicht, dass ich seine Tätowierung und damit seinen Auftrag kannte. Wie gut, dass ich ohne Bedenken in jedes Fettnäpfchen treten durfte, das sich mir anbot.
»Ich bin ein Baron des Reiches. Ich agiere im Namen des
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