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Ein Lotterielos. Nr. 9672

Ein Lotterielos. Nr. 9672

Titel: Ein Lotterielos. Nr. 9672 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Ehrenstellen; Abgeord-
    neter zu sein, genügte ihm vollständig; er wollte nichts wei-
    ter.Eben jetzt genoß Sylvius Hog einen 3monatigen Ur-
    laub, um sich von den Anstrengungen zu erholen, die ein
    arbeitsreiches Jahr legislatorischer Tätigkeit ihm gebracht
    hatte; seit 6 Wochen aus Christiania abgereist, beabsichtigte
    — 111 —
    er den ganzen Landesteil bis Drontheim, Hardanger, Tele-
    marken und die Bezirke von Kongsberg und Drammen zu
    bereisen, das heißt, er wollte die Provinzen besuchen, die er
    noch nicht aus eigener Anschauung kannte. Er machte also
    gleichzeitig eine Studien- und eine Vergnügungsreise.
    Einen Teil dieser Vergnügungsfahrt hatte Sylvius Hog
    zurückgelegt, und bei der Rückkehr aus den nördlicheren
    Amtsbezirken war es, wo er den berühmten Wasserfall, eines
    der Naturwunder Telemarkens, besichtigen wollte. Nach-
    dem er an Ort und Stelle das damals vorliegende Projekt ei-
    ner Eisenbahn von Drontheim nach Christiania eingehend
    geprüft, hatte er einen Führer verlangt, um ihn nach Dal
    zu geleiten, und rechnete darauf, diesen am linken Ufer des
    Maan anzutreffen. Ohne Verzug aber und verlockt durch
    den wunderbaren Anblick des Maristien, hatte er sich auf
    den gefährlichen Weg über diesen gewagt, eine Unklugheit,
    die ihn, wie wir wissen, beinah das Leben gekostet hätte. Ja,
    man darf gewiß behaupten, daß ohne das rechtzeitige Ein-
    treffen Joels und Huldas die ganze Reise und der Reisende
    in den Schlünden des Rjukanfos ein Ende gefunden hätten.
    X.
    In den skandinavischen Ländern und nicht nur bei den Be-
    wohnern der Städte, sondern auch draußen auf dem Land
    findet man eine recht erfreuliche Volksbildung, die über
    die ersten Grundlagen des Lesens, Schreibens und Rech-
    — 112 —
    nens überall hinausgeht. Der Bauer lernt mit Vergnügen
    und hat im allgemeinen einen offenen Kopf; er hat Inter-
    esse für öffentliche Angelegenheiten und nimmt an allem,
    was den Staat oder die Gemeinde angeht, lebhaften Anteil.
    Im Storthing bilden die Vertreter dieser Klassen immer die
    Majorität. Manchmal sitzen sie hier in ihrer eigentümlichen
    Provinzialkleidung, und man rühmt an ihnen mit Recht ih-
    ren klaren Verstand, den praktischen Sinn und ein richtiges
    Auffassungsvermögen – wenn dieses auch etwas langsam
    ist – nebst einer über jeden Zweifel erhabenen Unbestech-
    lichkeit nach.
    Es ist also nicht verwunderlich, daß der Name Sylvius
    Hogs in ganz Norwegen bekannt war und selbst in diesem
    etwas wilden Teil Telemarkens mit hoher Achtung genannt
    wurde.
    Auch Frau Hansen glaubte, als sie den von allen ge-
    schätzten Gast empfing, ihm sagen zu müssen, wie sehr sie
    sich geehrt fühle, ihn einige Tage unter ihrem Dach beher-
    bergen zu dürfen.
    »Ich weiß zwar nicht, ob das für Sie, Frau Hansen, eine
    besondere Ehre ist«, antwortete darauf Sylvius Hog, »aber
    das weiß ich, daß es mir ein großes Vergnügen gewährt. Oh,
    ich habe meine Zuhörer schon seit längerer Zeit von diesem
    gastlichen Haus in Dal reden hören, und schon aus diesem
    Grund hatte ich beschlossen, hier vielleicht 1 Woche lang
    zu verweilen; und doch, der heilige Olaf möge mir seinen
    Schutz entziehen, hatte ich nimmermehr gedacht, hier –
    nur auf einem Fuß anzukommen.«
    — 113 —
    Der vortreffliche Mann drückte dabei herzlich und
    freundschaftlich die Hand seiner Wirtin.
    »Herr Sylvius«, begann da Hulda, »wünschen Sie viel-
    leicht, daß mein Bruder einen Arzt aus Bamble herbei-
    holt?«
    »Einen Arzt, meine kleine Hulda? Aber wollt Ihr denn,
    daß ich gar den Gebrauch meiner beiden Beine einbüße?«
    »O, Herr Sylvius . . .!«
    »Einen Arzt! Und warum nicht gleich meinen Freund,
    Doktor Boek aus Christiania? Und all das wegen einer ein-
    fachen Schrunde?«
    »Doch auch eine solche«, erwiderte Joel, »kann, wenn
    sie nicht richtig behandelt wird, recht ernste Folgen nach
    sich ziehen.«
    »Wirklich, Joel? Würden Sie mir nicht gefälligst sagen,
    warum Sie wollen, daß sie so ernsthaft würde?«
    »Ich will es gewiß nicht, Herr Sylvius! Nein, behüte mich
    Gott davor!«
    »Nun, er wird Sie behüten, und auch mich, sowie das
    ganze Haus von Frau Hansen, besonders wenn die liebens-
    würdige Hulda es übernimmt, mir ihre Pflege angedeihen
    zu lassen.«
    »Ganz gewiß, Herr Sylvius!«
    »Sehr schön, liebe Freunde. Binnen 4 bis 5 Tagen wird
    von der Sache nichts mehr zu sehen sein. Warum sollte
    man übrigens in einem so reizenden Zimmer nicht schnell
    wieder gesund werden?

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