Ein Lotterielos. Nr. 9672
ernst-
haft geführte Verhandlung. Unter den wackeren Männern
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war übrigens keiner, der die zu berücksichtigende allge-
meine Richtung der Strömungen in den isländischen und
neufundländischen Meeren nicht gekannt hätte, und auf
Grund dieser Kenntnis war ja die vorliegende Aufgabe
überhaupt nur zu lösen.
Allgemeine Übereinstimmung herrschte auch darüber,
daß zur Zeit des Schiffbruchs, das heißt in dem Zeitraum
zwischen der Abfahrt der ›Viken‹ von Saint Pierre Mique-
lon und der Wiederauffischung der Flasche durch das däni-
sche Schiff, heftige, sturmähnliche Böen den in Frage kom-
menden Teil des Atlantischen Ozeans aufgewühlt hatten,
und diesen so plötzlich hereinbrechenden Stürmen war der
Unglücksfall offenbar zuzuschreiben. Höchst wahrschein-
lich hatte die ›Viken‹ gegen diese Stürme nicht aufkommen
können und deshalb vor dem Wind treiben müssen.
Gerade zur Zeit der Tagundnachtgleichen beginnen au-
ßerdem die Polareismassen nach dem Atlantischen Ozean
herab zu drängen; das legte die Möglichkeit einer Kollision
nah, bei der die ›Viken‹ an einem jener schwimmenden
Riffe, die oft so schwer zu vermeiden sind, zerschellt wäre.
Stimmte man aber einer solchen Anschauung des Her-
gangs zu, warum könnte sich dann nicht die ganze oder ein
Teil der Besatzung nach Überführung eines gewissen Pro-
viantvorrats auf ein solches Eisfeld geflüchtet haben? War
das der Fall, dann erschien es auch, da die Eisscholle nach
Nordwesten zurückgetrieben worden sein mußte, gar nicht
unmöglich, daß die Überlebenden darauf nach irgendei-
nem Punkt der grönländischen Küste gelangt sein konn-
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ten. In dieser Richtung und in diesen Meeresteilen mußten
demnach etwaige Nachforschungen unternommen werden.
So lautete die von den versammelten Seeleuten auf die
von Sylvius Hog gestellten Fragen einstimmig abgegebene
Antwort. Ohne Zweifel mußte in der hier angedeuteten
Weise vorgegangen werden. Und doch konnte man wohl
nur darauf rechnen, Wrackstücke der ›Viken‹ aufzufinden,
falls sie wirklich mit einem jener gewaltigen Eisberge zu-
sammengestoßen war, denn es erschien gar so zweifelhaft,
Überlebende vom Schiffbruch auch jetzt noch zu entde-
cken. Auf seine den letzten Punkt berührende Frage sah der
Professor recht wohl, daß auch die Urteilsfähigsten nicht
antworten konnten oder nicht antworten wollten. Das war
freilich kein Grund, nun auch die Hände in den Schoß zu
legen, im Gegenteil stimmten alle dahin überein, ohne Auf-
schub ans Werk zu gehen.
In Bergen ankern gewöhnlich einige zur norwegischen
Regierungsflotte gehörige Fahrzeuge. Zu diesem Hafen ge-
hören insbesondere drei Avisos, die, Trondheim, Finnmar-
ken, Hammerfest und das Nordkap anlaufend, den Dienst
an der Westküste versehen. Eben jetzt lag einer dieser Avi-
sos im Hafen vor Anker.
Nach Vollendung eines kurzen Schriftstücks, das die
Ansichten der versammelten Seeschiffer wiedergab, eilte
Sylvius Hog sofort an Bord des Avisos ›Telegraf‹. Hier un-
terrichtete er dessen Kommandanten von der speziellen
Mission, mit der die Regierung ihn betraut hatte.
Der Kommandant empfing den Professor mit höflichster
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Zuvorkommenheit und erklärte sich zur tatkräftigsten Mit-
hilfe bereit. Auch dieser Seeoffizier hatte schon wiederholt
jene Meere während der langen und oft gefährlichen Züge
befahren, welche die Hochseefischer von Bergen, von den
Lofoten und von Finnmarken bis nach den Fischgründen
von Island und Neufundland unternehmen. Er konnte bei
dem geplanten Werk der Nächstenliebe also auch persön-
liche Kenntnisse verwerten und versprach, sich jenem mit
voller Kraft zu widmen.
Im Betreff des Schriftstücks mit Andeutung über die ver-
mutliche Örtlichkeit des stattgefundenen Schiffbruchs bil-
ligte er vollständig die darin ausgesprochenen Anschauun-
gen. Auch seiner Ansicht nach kam es darauf an, das Meer
zwischen Island und Grönland abzusuchen, um etwaige
Überlebende oder mindestens ein Wrackstück der ›Viken‹
zu finden. Wenn der Kommandant hiermit keinen Erfolg
erzielte, wollte er in den benachbarten Gewässern und nö-
tigenfalls auch im Baffins-Meer an dessen Ostküste seine
Nachforschungen fortsetzen.
»Ich bin bereit, in See zu stechen, Herr Hog«, fügte er
hinzu. »Unser Bedarf an Kohlen und Nahrungsmitteln ist
vollständig vorhanden, meine Mannschaft ist an Bord, und
ich
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