Ein Macho auf Abwegen
viel mehr, bis sie es nicht mehr aushalten konnte. Verstehst du?
Sie hat es einfach nicht mehr ertragen können, und sie hatte Angst eines Tages
selber dabei umzukommen“, sagte Marc ganz leise.
Manuel war vollkommen verstört. „Dann hat meine Mutter immer
die Wahrheit gesagt?“
„Ja, immer, Junge.“
„Dios mío! Und ich habe sie weggeschickt!“ Er brach in einen
Heulkrampf aus. „Das hat ihr sehr wehgetan, aber sie versteht dich auch. Sie
wirft dir nichts vor, rein gar nichts. Deine Mutter weiß, was sie getan hat.
Sie hat einen Menschen getötet, aber hätte sie das nicht getan, hätte er sie
höchstwahrscheinlich eines Tages zu Tode gequält! Dein Vater hat fünf Jahre
lang ein fadenscheiniges Doppelleben geführt, und bis heute ist ihm niemand auf
die Schliche gekommen. Aber nur bis heute! Dem werden ich und Pilar heute ein
Ende machen. – Willst du mir dabei helfen, Manuel?“
Marc reichte ihm ein Taschentuch, und Manuel beruhigte sich
langsam wieder. „Wie denn, Señor Stevens? Wie könnte ich Ihnen denn helfen?“,
fragte er. „Zuerst einmal lässt du den Señor Stevens weg! Ich heiße Marc!“,
sagte er in väterlichem Ton. „Du kannst mir nämlich sehr wohl helfen.“
Nun erklärte er Christinas Sohn seinen Plan. „Zuerst müssen
wir im Penthouse nach einer Minikamera suchen. Können wir da jetzt hoch?“
Manuel nickte und erklärte, man habe in der elterlichen Wohnung nichts
verändert, und er besäße die Schlüssel zum Penthouse. „Also, worauf warten wir
noch?“
Die beiden Männer betraten das Penthouse. Es war noch
komplett eingerichtet. Sogar die Familienfotos standen noch auf den Schränken.
Marc betrachtete nachdenklich die glückliche Familie Moreno auf den Aufnahmen.
Sie waren wirklich eine Bilderbuchfamilie gewesen. Ángel war ein sehr gut
aussehender, typisch südländischer Mann gewesen, der eine gewisse Seriosität
und Intelligenz ausstrahlte. Marc glaubte sofort, dass kein Mensch ihm jemals
etwas Unrechtes zugetraut hatte. Auf den ältesten Fotos strahlten Christinas
Augen unglaubliche Lebensfreude aus. Marc betrachtete eine vollkommen
glückliche Christina mit ihrer kleinen Familie. Doch schon auf dem nächsten
Bild konnte er eine leidliche Veränderung in ihrem schönen Gesicht erkennen. Da
war sie, die ihm so vertraute unterirdische Traurigkeit in ihrem Blick. Er
wünschte sich nichts mehr, als seine Christina auch einmal so glückstrahlend zu
sehen, absolut ohne Sorgen und genauso positiv, wie zum Beispiel auf ihrem
Hochzeitsfoto. „Schau, Manuel!“, sagte er und nahm zwei Bilder vom Schrank. Ein
ganz frühes und eines der letzten Familienfotos. „Sieh deiner Mutter genau in
die Augen, und du wirst sehen, wie viel Leid darin geschrieben steht!“ Hat ihr
denn niemand jemals in die Augen geschaut?, fragte er sich selbst.
Manuel führte ihn in das Schlafzimmer. Sie begannen,
zunächst etwas zögerlich, den Raum zu durchsuchen. Tatsächlich fanden sie eine
winzige Kamera in einem Bild an der Wand gegenüber des Ehebettes. „Und Robert
hat es die ganzen Jahre über gewusst?“, erkundigte sich Manuel. „Ja, und er hat
von deinem Vater zumindest Kopien der Aufnahmen bekommen.“
Leider befand sich keine Kassette in der versteckten Kamera.
Ausgerechnet in dieser Nacht hatte Ángel Moreno keine Aufnahmen gemacht. Das
wäre ja auch zu schön gewesen!
„Und nun? Was können wir jetzt noch tun?“, wollte Manuel
wissen. „Okay! Folgendes: Zuerst schicken wir die Frauen nach Hause, aber
vorher brauchen wir noch eine Kopie des Videos aus dem Klub“, entschied Marc.
Manuel holte den Videorecorder aus dem Fernsehraum, und Marc
schloss ihn fachmännisch an die Videoanlage an. Nun kopierten sie den Film auf
eine andere Kassette. Das Original gaben sie Pilar mit in die Kanzlei, wo sie
es sicherheitshalber im Tresor einschließen sollte.
Sie nahmen Manuels Wagen und fuhren gemeinsam zu Kaisers
Autohaus. „Hast du Kontakt zu diesem Kaiser?“, fragte Marc. „Nicht wirklich.
Man trifft sich manchmal auf Partys, sonst eigentlich nicht. Ich habe mir
diesen Wagen hier letztes Jahr bei ihm gekauft. Er hat mir einen Superpreis
gemacht, weil mein Vater sein bester Freund gewesen ist.“
Manuel nannte am Empfang seinen Namen und wünschte Robert
Kaiser zu sprechen. Sie schlenderten durch die Ausstellungshalle und schauten
sich die Luxuswagen an, bis der Firmenchef zu ihnen kam. „Hola, Manuel! Wie
schön dich zu sehen, mein Sohn!“
Als Marc dieses „mein Sohn“
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