Ein Macho auf Abwegen
innerlich.
Sie lugte noch einmal vorsichtig durch die Gardine und sah
Marcs Geländewagen in einem Wahnsinnstempo um die Ecke kommen. Er bremste den
Wagen mit quietschenden Reifen unsanft ab und parkte ihn halb auf der Straße,
halb auf dem Rasen des Vorgartens. Sofort richtete sich sämtliche
Aufmerksamkeit der Paparazzi auf ihn. Als er versuchte über den Weg bis zur Haustüre
zu gelangen, drängelten sich die Menschen dicht um ihn herum. Die Reporter
stellten ihm lautstark und in einem heillosen Durcheinander alle möglichen
Fragen, doch Marc antwortete, entgegen Christinas Vermutung, nicht. Das
Einzige, was sie von ihm hören konnte, waren wütende Kommentare, während er die
Leute bedenklich gereizt von sich stieß. „Haut ab, und lasst mich durch! –
Macht die Kameras aus! – Verschwindet hier! – Ich werde nichts sagen, also
verpisst euch!“, schrie er aufgebracht und stieß mit den Ellbogen um sich.
Jetzt konnte sie ihn nicht mehr sehen, er war anscheinend bis zur Haustür
durchgekommen. Das ist doch alles nicht richtig!, dachte Christina. Die werden
doch jedes Wort von ihm veröffentlichen. Alles meine Schuld! „Mierda! Scheiße!
Scheiße! Scheiße!“, rief sie.
Jetzt konnte sie seine schnellen Schritte auf der Treppe
hören. Doch was war das denn nun schon wieder? Marc schrie wie verrückt im
Treppenhaus herum. Sie schaute wieder durch den Türspion. Sie konnte niemanden
sehen, aber die Situation ganz genau deuten.
Eickermann und Marc waren sich offensichtlich auf der Treppe
entgegengekommen. Wahrscheinlich hatte der Paparazzo Marcs Ankunft von oben
beobachtet und wollte natürlich einen günstigen Augenblick für ein Foto nicht
verpassen. „Das konnte ich mir ja gleich denken! Das war doch wohl klar, dass
du wieder dahinter steckst, Eickermann!“, hörte sie Marc brüllen. „Du machst
jetzt sofort, dass du hier rauskommst, Alter, sonst kannst du ’was erleben! Und
wag’ es dich nicht, hier zu fotografieren! Das würde dir gar nicht gut
bekommen, Freundchen!“ Eickermann brummte etwas, aber es war zu leise, um es
verstehen zu können. Dann lachte er einmal laut auf, und es wurde wieder ruhig
im Hausflur.
Nach ein paar Minuten war Marc endlich in der Wohnung
angekommen. „Pack deine Sachen, Christina! Aber nur das Nötigste!“, befahl er
ihr ruppig und lief sofort bis zum Wohnzimmerfenster an ihr vorbei. „Warum
sollte ich das tun?“, fragte Christina, der Marcs Schuldirektorton ganz und gar
nicht gefiel. Marc lugte aus dem Fenster. „Christina! Herrgott noch einmal! Du
kannst nicht mehr in dieser Wohnung bleiben! Du siehst doch, was hier los ist!
– Also, worauf wartest du? Mach’ hin!“ Christina ging diese Art und Weise
seiner Problemlösung einfach gegen den Strich. Bisher hatten sie immer alles
ganz vernünftig und ruhig diskutiert und dann gemeinsam entschieden. „Das ist
noch lange kein Grund meine Wohnung zu verlassen, Marc. Die werden schon
irgendwann wieder Ruhe geben und abhauen.“
„Denkst du! Das werden die nicht tun, Christina!“, sagte er
und drehte sich wieder zum Fenster zurück. „Die geben keine Ruhe, bis sie alles
wissen. Alles, verstehst du das?“
Christina stand mit verschränkten Armen mitten im Wohnzimmer
und zischte unheilvoll zu ihm hinüber, während ihre dunklen Augen immer schwärzer
wurden und ein wahres Blitzgeschwader auf Marc abschossen: „Und was hat mein
Superstar hinsichtlich meines neuen Refugiums so entschieden, ich meine, mal
eben über meinen Kopf hinweg?“
Marc spürte ihre Entladungen wie kleine Pfeile, die sich ihm
spitz in den Rücken bohrten. Da sprach gerade nicht seine liebevolle, herzliche
Lebenspartnerin mit ihm, sondern seine frostklirrende Assistentin. Er atmete
einmal tief durch. – Okay, diese Frau ist kein unselbständiges Püppchen, das zu
allem Ja und Amen sagt, was ihr Angebeteter von ihr will. Christina will
mitreden – mitentscheiden!, empfahl er sich innerlich. Sie ist dir nicht
unterlegen, und dafür liebst du sie ja auch letztendlich.
Für ihn war es definitiv eine ganz neue Lebenserfahrung. Er
war es einfach nicht gewohnt, sich einer Frau erklären und seine Entscheidungen
genauestens darlegen zu müssen.
Er drehte sich zu ihr herum und ging auf sie zu. „Hey,
Prinzessin! Ich muss mich echt erst daran gewöhnen, nicht mehr alleine das
Sagen zu haben. – Der alte Macho muss noch viel lernen, ich weiß das.“ Er nahm
ihr Gesicht zwischen seine Hände, so wie er es immer tat, wenn er
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