Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mädchen aus Torusk

Ein Mädchen aus Torusk

Titel: Ein Mädchen aus Torusk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
sauber geschnitten – mit Motorsägen, wie der ›Rote‹ sachverständig feststellte. Hinter einen der Stapel führte er den Schlitten und die Rentiere, hinter einem anderen Stapel versteckte er sich wie ein Jäger, der auf einem Anstand dem ahnungslosen Wild auflauert.
    Nikolka wartete geduldig eine Stunde, rauchte in der hohlen Hand drei Papyrossi, blies den Rauch sofort auseinander, damit man ihn nicht als Wölkchen sehe, trank vier Schlucke Wodka aus der Feldflasche und fühlte sich stark, mutig und rachegeladen.
    Der erste, der auf den runden Platz im Wald lief, war Akja, der Wolfshund. Er war etwa zweihundert Meter vor dem Schlitten hergejagt, hatte eine Witterung aufgenommen und stand nun am Waldrand, starrte mit seinen grünen Augen zu den Holzstapeln und hob die spitze Schnauze. Er bellte kurz, laut und warnend.
    Nikolka schob sein Gewehr zwischen die Stämme und drückte die Fellmütze aus der Stirn.
    Mist, dachte er wütend. Wenn ich den Hund, dieses Teufelsaas, erschieße, ist er gewarnt. Schieße ich nicht, warnt ihn der Hund. Wie man es jetzt macht, wird es falsch sein. Am besten ist's, erst abzuwarten.
    Der Schlitten kam. Sasjas Hufe klapperten über den verharschten Schnee, die Stahlkufen knirschten laut. Akja begann zu heulen und lief zum Wald zurück. Nikolka, der lauernde Schütze, stampfte wütend in den Schnee, verließ sein Versteck, das sinnlos geworden war, und stellte sich auf den kreisrunden Platz.
    Duellieren wir uns, dachte Nikolka. Ich bin ein schneller Schütze. Und mit meiner Kugel fliegt der Haß. Sie wird immer treffen.
    Der Schlitten glitt auf den Platz. Abels riß die Zügel an, als er die dunkle Gestalt erkannte, Sasja hob sich auf die Hinterbeine, der Schlitten prallte gegen ihre Kruppe, das Pferd brach, als es wieder stand, in die Vorderbeine ein und wieherte entsetzt, als stehe es einem Wolf gegenüber. Anuschka verlor das Gleichgewicht, rollte über die Seitenlehne und fiel in den Schnee. Nikolka, der ›Rote‹, lachte laut und höhnisch.
    »Nicht einmal einen Schlitten anhalten kann er, der deutsche Prahler!« schrie er. »Und so etwas will Anuschka entführen aus unserem Land! Man sollte ihn zu den Kindern in die Schule stecken, aber nicht ins Ehebett!«
    Martin Abels sprang vom Schlitten, half Sasja aus dem Schnee und lief zu Anuschka. Sie war wieder aufgesprungen, hatte in den Schlitten gegriffen und das Gewehr, das ihr Unjeski gegeben hatte, an sich gerissen. In ihren schwarzen Augen stand wilde Entschlossenheit. Die Mitleidlosigkeit ihres asiatischen Erbes zeichnete ihr schönes Gesicht. Es war eine Maske geworden, die keinerlei Regung mehr widerspiegelte.
    Akja, der Wolfshund, stand vor Nikolka und fletschte die Zähne. Der ›Rote‹ hatte den Lauf seines Gewehres auf den Hundekopf gerichtet und den Zeigefinger am Abzug gekrümmt.
    »Nimm den Hund weg, Deutscher!« sagte er heiser. »Oder er ist der erste, der in den Schnee fällt!«
    »Und wer wird der zweite sein?« tönte die plötzlich harte Stimme Anuschkas. Nikolka schielte zu ihr hin. Das Gewehr in ihrer Hand bedeutete mehr Gefahr als der Hund oder der Deutsche, der eine Pistole aus dem Pelzmantel gezogen hatte. Er wußte es genau, daß Anuschka in der Gefahr die Kälte der jakutischen Jäger besaß, die mit dem Messer gegen Wölfe angingen, wenn es notwendig war.
    »Was willst du hier?« fragte Anuschka und trat aus dem Schatten des Schlittens. Nikolka grinste breit.
    »Ich jage, mein Mädchen.«
    »Hier ist kein Torusker Revier mehr.«
    »Ich habe einen großen Fang verfolgt. Was kümmern mich die Reviere? Das Land ist für jeden da – aber manchmal gibt es Menschen, die zuviel sind auf dieser Welt. Sie stören die Ordnung. Man muß sie ausmerzen! Das ist ein Gesetz, mein wildes Mädchen.« Nikolkas Gesicht wurde ernst, ja fast traurig. »Der Miliz konntet ihr entkommen, weil Amganow ein Verräter ist. Oh, ich weiß, was in Schigansk geschehen ist. Ein jeder Kommunist sollte ausspucken davor. Wie gut ist es, daß es Männer gibt, die ihr Vaterland noch lieben. Und so bin ich geflogen mit meinen Tierchen, um euch einzuholen. Mir seid ihr nicht entkommen!«
    »Du erbärmlicher Heuchler!« sagte Anuschka verächtlich. »Geh aus dem Weg!«
    Nikolka hob das Gewehr gegen Martin Abels. Auch Anuschka legte an … so standen sie ein paar Sekunden und warteten, wer zuerst schoß.
    »Bist du zu feig?« schrie Nikolka, der ›Rote‹. »Auch wenn du triffst, ich habe Kraft genug, abzudrücken und diesen deutschen Hund

Weitere Kostenlose Bücher