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Ein Mädchen aus Torusk

Ein Mädchen aus Torusk

Titel: Ein Mädchen aus Torusk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kann unser Staat heimlich unterlaufen, unterhöhlt werden. Was wir nie geglaubt haben, Sie haben es bewiesen, Nikolai Stepanowitsch: Es gibt in unserem Sicherungssystem eine Lücke, durch die Sie geschlüpft sind. Der gebräuchliche Weg ist der Fallschirmabsprung … das aber haben Sie nicht getan.«
    »Nein! Woher sollte ich einen Fallschirm nehmen und das dazu gehörende Flugzeug?«
    »Eben. Sie kamen auf dem Landweg. Über eine Grenze, die wie keine andere bewacht wird. Sie kamen über zweitausend Werst hinein bis Torusk und wieder zweitausend Werst zurück, ohne daß sie jemand bemerkte. Das ist ungeheuerlich. Das hat den Genossen in Moskau die Haare aufrecht stehen lassen. Ein Mann spaziert in das tiefste Sibirien, und keiner hält ihn auf. Das ist es, was wir von Ihnen wissen wollen, Nikolai Stepanowitsch: Wer hat Ihnen geholfen? Wer sind Ihre Helfer gewesen?«
    »Ich hatte keine!« sagte Abels fest. Peter Ulski schüttelte den Kopf.
    »So kommen wir nicht weiter, Brüderchen. Nur Zeit verlieren wir. Man kann nicht nach Sibirien kommen, und keiner hilft einem weiter.«
    »Man kann! Ich habe es ja gekonnt!«
    »Warum machen wir es uns so schwer, Towarisch Arkadjef? Einen Helfer kennen wir bereits, er hat es gestanden. Wassilij Petrowitsch Tasskan.«
    »Er hat mir nicht geholfen. Er hat mich nur beherbergt.«
    »Das scheint uns genug. Wußte er, ob Sie nicht ein Spion waren wie diese Amalja Semperowa?«
    »Er tat es aus Dank. Ich habe ihm und Marfa Umatalskaja das Leben gerettet. Sie wurden von einem Wolfsrudel verfolgt, und ich erschoß den Leitwolf.«
    »Sehr nobel, Nikolai Stepanowitsch. Und woher hatten Sie das Gewehr und die Munition?«
    Abels schwieg. Peter Ulski nickte lächelnd. »Sehen Sie, das wollen wir wissen. Man kann in Sibirien kein Gewehr zaubern – es muß einem gegeben werden.«
    »Erwarten Sie von mir darauf eine Antwort?«
    »Ja.«
    »Erwarten Sie nicht, daß ich die Polizei rufe und Sie abführen lasse?«
    Peter Ulski schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich genieße die Immunität des diplomatischen Corps. Ihre deutsche Polizei interessiert mich also nicht. Selbst wenn ich Sie jetzt umbrächte, könnte mich ein deutscher Polizist erst nach Erlaubnis meines Botschafters berühren. So betrachtet ist es neben der Ehre auch eine Wonne, Diplomat zu sein.« Ulski zerdrückte die Zigarette in dem silbernen Aschenbecher und nahm sich eine neue aus dem Ebenholzkasten, der vor ihm stand. »Towarisch Arkadjef – daß ich Sie so nenne, sollte Ihnen beweisen, wie freundlich wir Ihnen gesonnen sind –, warum reden Sie nicht? Sie erschweren nur die Lage des guten Turganow. Er wartet im Gefängnis von Schigansk auf unsere Meldungen. Sehen wir doch klar: Sie haben Ihre Anuschka, wir machen Ihnen keinerlei Schwierigkeiten, wir schicken Ihnen die Papiere Anuschkas herüber, wir machen kein Politikum aus dem Menschenraub – und als Gegenleistung für diese Großzügigkeit verlangen wir nur Ehrlichkeit von Ihnen. Das ist doch wirklich fair!«
    »Ich verrate keine Menschen!«
    »Damit geben Sie zu, daß man Ihnen geholfen hat.« Peter Ulski erhob sich brüsk. »Begreifen Sie doch, Nikolai Stepanowitsch: Es geht um unsere Staatssicherheit! Da gibt es keine moralischen Grenzen mehr.«
    »Das heißt –«, sagte Abels leise. Er kannte die Antwort im voraus.
    »Das heißt, daß wir uns an Pawel Andrejewitsch Turganow halten und ihn zur Zwangsarbeit wegschicken. Wir werden Gelegenheit haben, Anuschka von dieser Entwicklung Kenntnis zu geben.« Peter Ulski sah Abels ernst an. »Die Grundbedingung einer glücklichen Ehe ist der Seelenfrieden. Er wird nicht vorhanden sein, wenn wir sagen, Martin Abels ist der Mörder seines Schwiegervaters.«
    »Ihr seid Teufel!« sagte Abels heiser und wandte sich ab. »Gehen Sie!«
    »Wir müssen Teufel sein, um den Beelzebub in unserm Land auszutreiben.« Peter Ulski zuckte mit den Schultern. »Also kein Kommentar, Nikolai Stepanowitsch?«
    »Kein Kommentar!«
    »Es ist bedauerlich.« Ulski verbeugte sich knapp. »Leben Sie wohl, Towarisch. Aber überlegen Sie bitte, daß Sie auch in Westdeutschland nicht sicher sind. Es gibt keinen Fleck der Erde mehr, wo ein Mensch sicher ist.«
    »Soll das eine Drohung sein?« Abels fuhr herum. »Sie sollten mich soweit kennen, daß ich keine Angst habe.«
    »Ich weiß, wie hart Sie sind.« Ulski nahm seinen Hut vom Tisch. »Wir kennen aber auch Ihre verwundbare Stelle.«
    »Halt!« Abels hob die Hand. Peter Ulski drehte sich an der Tür um.

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