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Ein Mädchen aus Torusk

Ein Mädchen aus Torusk

Titel: Ein Mädchen aus Torusk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zog ihn heran und setzte sich.
    »Was … was ist mit Martin?« stotterte sie erschrocken.
    »Nichts! Das eben ist es, was die Herren in Köln so aufregt. Nichts! Sie nennen Herrn Abels einfach Martin?«
    »Wir sollten uns verloben.«
    »Sollten?« Kriminalrat Bergmann sah auf seine Hände. »Verzeihen Sie, wenn ich in die Intimsphäre dringen muß: Sie sind es nicht, und warum?«
    »Martin löste die Verbindung.«
    »Wann?«
    »Vor einigen Wochen.«
    »Aus welchen Gründen?«
    »Er liebt eine andere Frau.« Inken Holgerson starrte an Bergmann vorbei aus dem Fenster. »Eine Russin!«
    »Das steht auch hier in den Aussagen seiner Stammtischfreunde. Nun sagen Sie es auch! Glauben Sie daran?«
    Inken fuhr vom Stuhl hoch. Diese Frage war ungeheuerlich, und sie begriff nicht, wieso man sie stellen konnte.
    »Natürlich, Herr Kriminalrat!«
    »So natürlich findet man das in Köln gar nicht. Die Leute von der Abwehr sind nüchterne Männer, müssen Sie wissen. Sie haben für Romantik herzlich wenig übrig. Das bringt ihr Beruf mit sich, der sich nur mit den Schatten befaßt. Man will einfach nicht glauben – und ich gebe zu, es ist auch schwer –, daß ein Mann sein Leben und seine Existenz aufs Spiel setzt, um aus Sibirien – aus Sibirien auch noch – ein Mädchen herauszuholen, das er als Kriegsgefangener kennengelernt hat. Sie müssen gestehen, daß so etwas absurd ist. Ein Mann mit der Stellung Martin Abels', mit seiner Intelligenz, seinen gesellschaftlichen Verbindungen unternimmt nie einen solchen Alleingang, der nicht einmal einem amerikanischen Schriftsteller einfallen würde, weil es eben zu unglaubhaft ist.«
    »Was … was soll er denn sonst in Rußland wollen?« stammelte Inken Holgerson. Sie war entgeistert über die in ihr aufkommende Erkenntnis, Kriminalrat Bergmann recht geben zu müssen. Kein vernünftiger Mensch würde das tun, wozu Martin Abels aufgebrochen war.
    »Das eben macht uns Kopfzerbrechen. Wir haben seinen Weg bis zu einer gewissen Grenze zurückverfolgt. Er war bei der deutschen Botschaft in Tokio, er nahm Verbindung auf zu der mongolischen Handelsmission und flog trotz eindringlicher Mahnungen mit einer rotchinesischen Maschine auf das asiatische Festland. Dort flüchtete er aus einem Staatshotel in Ulan-Bator und verschwand mit unbekanntem Ziel. Obwohl man alle Grenzen absperrte, tauchte er nicht wieder auf. Die deutsche Botschaft in Tokio hat daraufhin einen sehr harten Notenwechsel mit der Mongolei gehabt. Man glaubt, daß Martin Abels als Spion eingeschleust wurde.«
    »Das ist doch völlig verrückt!« rief Inken Holgerson. Dann sagte sie: »Verzeihung, Herr Kriminalrat, das ist mir so herausgerutscht. Aber es gibt keinen besseren Ausdruck dafür.«
    »Das sagen Sie! Es ist nicht verrückter als die Version, die Sie kennen: ein Mädchen aus Torusk zu holen! Wie soll sie heißen?«
    »Anuschka.«
    Kriminalrat Bergmann lehnte sich zurück. Daß das Verhör Inken Holgersons keine neuen Aufschlüsse über den wahren Grund der Abels-Reise bringen würde, hatte er von Beginn an gewußt. Er tat nur seine Pflicht und fragte Dinge, die schon aktenkundig waren. Sicher war, daß der Industrielle Abels in der Mongolei verschollen war. Ob als Agent einer noch unbekannten Macht – oder als Verrückter, das blieb sich gleich. Er war ein Politikum für Bonn geworden, er hatte ein Aktenstück zu füllen begonnen und würde von nun an einige Beamte beschäftigen.
    »Kann ich gehen?« fragte Inken. Kriminalrat Bergmann nickte, erhob sich und gab ihr die Hand.
    »Es ist gut, wenn Sie an dieses Mädchen in Torusk glauben«, sagte er.
    »Sie glauben es nicht?«
    »Ich kann mir kein Urteil bilden«, wich Bergmann aus.
    »Und was … was geschieht nun mit Martin?«
    »Die übliche Routinearbeit. Man wird seine Betriebe inspizieren, seine Korrespondenz beschlagnahmen, alle Akten nach Köln bringen lassen, seine Geschäftsbeziehungen nachprüfen. Man wird ein Heer von Beamten zu kleinen Göttern machen, die einen einzelnen Mann auseinandernehmen dürfen. Sie wissen, bei uns genügt ein leiser Verdacht, und die Justizmaschine zermahlt das Opfer präzise und gnadenlos. Mag sein, daß er wirklich ein Mädchen sucht. Aber das ist so völlig romantisch, daß es mit bestem Willen nicht in ein deutsches Beamtengehirn hineingeht. Guten Tag!«
    Mit bleischweren Beinen stieg Inken Holgerson die Treppe hinab und verließ das Polizeipräsidium.
    Er ist verschollen, soviel hatte sie von all dem begriffen, was sie gehört

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