Ein Mädchen aus Torusk
des Hasenfleisches ließ er einfrieren. Die Krähen briet er über dem offenen Feuer, das er mit den von Tasskan geschenkten Spiritustabletten schnell entzünden konnte, selbst wenn das Holz feucht war. Er hatte es in der Gefangenschaft gelernt, Krähen zu essen. Sie schmeckten wie gut genährte Tauben oder Perlhühner, vor allem, wenn man sie mit Salz und Salbei gut einrieb und sie knusprig braten ließ. Nach Jägerart briet er das Fleisch rundum nur dunkel und ließ es dann in der glühenden Asche garen. So blieb es saftig und zart, ein Küchenchef würde sagen: Krähe, englisch gebraten.
Nachts suchte er sich geschützte Plätze. Im Windschatten eines Hügels, in einer Waldsenke, einmal in einem Gewirr vom Sturm entwurzelter Bäume. Dort kochte er, kroch dann unter die Decken und das Fell, nahm Akja, den Wolfshund, neben sich unter die Decke. Auch dem Pferdchen legte er eine Decke über; es schlief meist im Stehen, an einen Baum gelehnt. Aber am fünften Rasttag legte es sich ebenfalls hin, wälzte sich in den Schnee, drehte sich dort ein paarmal und lag dann still. Das zottige, dicke Fell schützte vor Kälte. Morgens, wenn Abels die Decke von dem Pferd nahm, dampfte es richtig aus dem Fell, so viel Wärme strömte es aus.
Am zehnten Tag – sie fuhren durch einen lichten Wald, dem man ansah, daß vor zwei Jahren etwa eine Holzschlagkolonne ihn durchgerodet hatte – wurde Akja unruhig. Er spitzte die Ohren, stieß mit der spitzen Schnauze Abels mehrmals an und begann, tief unten in der Kehle leise zu singen. Ein unterdrücktes Heulen, das letzte Erbe seiner fernen Ahnen, der Wölfe.
Abels hielt den Schlitten an und legte das Gewehr schußbereit auf die Knie. Er lauschte, und als ob es das Pferd begriff, war es ebenfalls still, scharrte nicht und schnaubte nicht.
Akja sprang in den Schnee, den Kopf hoch, schnuppernd, eine Witterung aufnehmend, aus einem Urinstinkt heraus unruhig und bis in die Flanken zitternd.
Abels stieg ab und nahm das Gewehr unter den Arm. »Was ist denn, Akja?« fragte er leise. »Mein Junge, was ist denn mit dir?«
Wölfe sind es nicht, das wußte er. Vor einem Wolf nahm Akja keine Witterung auf, vor einem Wolf zog er die Lefzen hoch und war kampfbereit. Hier ahnte er etwas anderes … ein verwundetes Tier, einen Menschen … aber keine Gefahr.
»Los! Such!« sagte Abels.
Akja senkte die Schnauze, warf den Schnee hoch und lief dann langsam, damit Abels mitkommen konnte, los. Er lief seitlich in ein hügeliges Waldstück hinein, in ein durchfurchtes, langsam wieder verfilzendes Gelände. Kleine Schluchten durchzogen es, Einschnitte und Hohlwege, die zum Teil mit dornigem Gebüsch gefüllt waren.
Nach etwa fünfzig Metern blieb Akja stehen, sah auf einen Gegenstand im Schnee, gab einen hellen, klagenden Laut und sah zurück zu Abels, der wartend zwischen zwei mächtigen Kiefern stand. Dann setzte sich Akja, als habe er die Pflicht, hier nicht mehr wegzugehen.
Abels entsicherte sein Gewehr und stapfte näher. Zwischen zwei Baumstämmen, vor einem erloschenen Feuer, lag ein Klumpen aus Wattekleidern und Fuchspelz. Erst nach mehrmaligem Hinsehen unterschied er Arme, Beine, einen Rumpf und einen Kopf, der, in einen Fuchspelz gewickelt, im Schnee lag.
Der Mensch lebte. Ja, er sah Abels aus weiten, fieberglänzenden Augen an, sein Mund bewegte sich, aber es kam kein Ton von seinen Lippen als ein Seufzen, so leise, das nur Akja es vernahm, denn er spitzte die Ohren und antwortete mit einem Knurren.
Abels kniete neben der verkrümmten Gestalt und schob seine Hände unter den Kopf des Fremden. Der Mann glühte vom Fieber, er schwitzte, und seine Lippen waren geplatzt und dick geschwollen.
»Können Sie mich hören, Genosse?« fragte Abels und strich den Fuchspelz von dem Kopf des Mannes. Die verfilzten Haare waren naß von Schweiß. »Können Sie mich sehen und hören?« fragte er nochmals.
Ein Senken der Lider. Der Fremde verstand. Abels nestelte seine Feldflasche vom Gürtel und wollte sie ihm an die Lippen setzen. Tee mit Wodka, das stärkt, das weiß jeder Russe. Aber der Mann drehte mit einer ungeheuren Kraftanstrengung seinen Kopf zur Seite. Sein geschwollener Mund riß auf, und aus der fieberglühenden, ausgedörrten Kehle brach ein Röcheln.
»Brjucho …«, verstand Abels. »Brjucho … slepaja kischka …« (Bauch … Bauch … Blinddarm).
Abels fragte nicht lange. Er drehte die verkrümmte Gestalt auf den Rücken, öffnete die Wattekleidung, schob ein altes, schmutziges,
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