Ein Magier auf Höllentrip
sich jetzt fragen, was mich denn daran so stört. Sicher, werdet Ihr sagen, es ist doch ein ehrbares Gewerbe. Aber wer von Euch muß schon tagaus, tagein, wenn er nach seinem Beruf gefragt wird, sagen ›ich flicke‹?«
Tomm schwieg und stieß einen tiefen Seufzer aus. Sein Blick hob sich und begegnete dem meines Meisters. »Doch nun stehe ich kurz vor Beendigung meiner Magierstudien. Bald wird das Kesselflicken ein Ding der Vergangenheit sein. Doch zu allem Überfluß bedrückt mich eine zweite Schande, mit der es sich noch schlechter leben läßt.«
Wir stierten alle schweigend den Kesselflicker an. Er schluckte schwer und sprach dann in einer Lautstärke weiter, die nur knapp über einem Flüstern lag.
»Ich hätte Vushta retten können, doch ich bin weggelaufen.«
»Seid Ihr da nicht ein wenig zu streng mit Euch selbst?« erwiderte ihm Ebenezum. »Die Macht, die eine Stadt von der Größe von Vushta versinken lassen kann, ist in der Tat riesig. Wie könnt Ihr Euch selbst, einen einzigen Mann, dafür tadeln, wenn Ihr der gesammelten Macht des Dämonentums gegenüberstandet?«
»Oh, sehr gut kann ich das!« rief Tomm trotzig und erstaunlich laut. »Ich befand mich in der Nähe des Zentrums der Vorgänge. Ich hätte es stoppen können, das weiß ich. Ich war in Vushta, einige Sekunden, bevor es verschwand.«
Tomm schauderte.
»Hört meine Geschichte, dann werdet Ihr meine Schande vernehmen.«
Rasch erzählte uns der junge Fast-Magier seine Geschichte. Er hatte sich gerade auf dem Weg zu seinem wöchentlichen Besuch bei seiner betagten Mutter befunden, als er gewisse Veränderungen bemerkte. Gigantische schwarze Wolken zogen dräuend am Himmel auf und machten ihn dunkel wie in der Nacht; plötzliche Flammenblitze erhellten mit blendender Helligkeit das Firmament.
»Verdammnis«, warf Hendrek ein.
Tomm nickte. »Das waren genau meine Gedanken. Ich eilte in das Gebäude, wo meine Mutter einen Raum im obersten Obergeschoß besaß, indem ich jeweils zwei oder drei Stufen auf einmal nahm. Ich betete inständig, alles möge in Ordnung sein. Ich wußte, sollte meiner Mutter irgend etwas zugestoßen sein, würde ich mir das nie verzeihen können.«
Tomm unterbrach sich erneut, um gehetzt Atem zu holen.
»Und?« fragte Zimplitz.
Wir alle hatten uns dicht um den überreizten Kesselflicker gedrängt.
»Ich klopfte an der Tür.« Tomms Unterlippe begann zu zittern.
»Und?« flüsterte Alea. Der Ausdruck tiefster Anteilnahme auf ihren Zügen schien die schimmernde Lockenpracht, die ihr Antlitz rahmte, von innen heraus zu erhellen.
Tomms Stimme war zu einem heiseren Krächzen gesunken. »Und meine betagte Mutter antwortete.«
Ich bemerkte, daß mein Meister mit einer gewissen Ungeduld an seinem Bart zupfte. »In der Tat?« sagte er. »Und wo lag das Problem?«
Der Kesselflicker schien sich über Ebenezums gebietendem Blick zu beruhigen.
»Sie sagte, ich solle mich still verhalten«, stieß er in einer Stimme hervor, die sowohl lauter als auch ruhiger geworden war als zuvor. »Sie teilte mir mit, daß sich in ihrer Wohnung ein widerwärtiger Schädling befinde. Mir fiel auf, daß sie ihren Sonnenschirm festhielt. Ein ekliger Schädling, schoß es mir durch den Kopf? Sicher handelte es sich lediglich um eine Maus oder ein größeres Insekt, das ich einfach entfernen konnte. Allerdings konnte es sich nicht um etwas Kleines handeln, denn die Augen meiner Mutter waren nicht mehr das, was sie einmal gewesen waren.
Doch als ich den Schädling erblickte, den sie meinte…« Seine Stimme starb erneut.
»Und?« drängte Norei. Ihre Hände hielt sie verkrampft vor der Brust. Der Kesselflicker konnte nun nicht mehr zurück. Er mußte weiter erzählen.
»Zuerst hörte ich die Stimme«, fuhr Tomm fort, nicht sehr ruhig und auch nicht sehr laut. »Wenn man es denn eine Stimme nennen kann. Ich wußte nach den ersten Worten, daß der Sprecher kein Mensch sein konnte. Es klang wie das tiefe Rasseln eines ungeölten Tores in Kombination mit einem Riesen, der Felsbrocken zu seinen Füßen zerschmetterte. Und erst die Worte, die seine unmenschliche Stimme sprach!
›Kommt, Dämonen! Tötet das Geschmeiß!
Denn Vushta winkt als Siegespreis!‹«
»Guxx!« schrie ich auf. Der Kesselflicker war dem schrecklichen verseschmiedenden Dämon begegnet!
Mein Meister bedeutete mir zu schweigen und bat Tomm, er möge mit seiner Erzählung fortfahren.
»Ihr kennt diese furchterregende Kreatur?« fragte Tomm beeindruckt. »Nun, dann
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