Ein Magier auf Höllentrip
Magier. Doch für den wahrhaft einfallsreichen Magier muß dem nicht so sein! Bedenkt man zum Beispiel die Vorteile der Entfernungs-Magie, bei der man die gewünschte Publizität gleichsam zum Nulltarif erlangen kann. Aber, wird man sich fragen, müssen Helden nicht in persona an der Schlacht teilnehmen? Doch für einen optimal vorbereiteten Magier kann nichts so heroisch sein wie eine gut getimte Kombination von gedruckten Handzetteln, einem subtil in die Welt gesetzten Gerücht und einer kurzen Stippvisite hier und da. Immer noch zu teuer? Unsinn! Weiß man, wie viel ein heroischer Magier für seine Personality-Auftritte nehmen kann?
- aus DES MAGIERS EBENEZUM PRAKTISCHER TASCHENFÜHRER DURCH DIE ALLTAGSMAGIE, Vierte Auflage
Ich sollte also in die Niederhöllen gehen.
Ich sah auf die Frettchen hinunter, die sich zärtlich um meine Waden schmiegten. Es wirkte alles ein wenig unwirklich auf mich, als nehme ich an einem Mittsommer-Festumzug teil und müsse plötzlich Schnee auf den Bäumen entdecken.
In gewisser Weise hatte man mir sogar eine große Ehre erwiesen. Und schließlich mußte es ja irgend jemand tun. Es wäre sicherlich besser, wenn ich dem Ganzen seine guten Seiten abgewinnen würde. Vielleicht würde ich am Ende doch noch die tausend verbotenen Lüste zu Gesicht bekommen!
Snorphosio räusperte sich. »Wir haben euch vermutlich noch nicht sämtliche Gründe dargelegt, die zu dieser Wahl geführt haben – weder dem Rest unserer Versammlung noch unserem – äh – Champion.« Der betagte Gelehrte wedelte lässig mit seiner Rechten in meine Richtung. »Du wirst deine Quest nicht allein vollbringen müssen, und unbewaffnet mußt du auch nicht gehen. Wir werden dir einen oder zwei geeignete Reisebegleiter aus unserer Gruppe zur Seite stellen, um dich durch die Gefahren zu begleiten. Jeder Champion braucht natürlich Gefährten. So steht es auch klar und deutlich im Handbuch, für den angehenden Helden. Mit einem Appendix zur Waffenauswahl. Seite dreiundvierzig, wenn ich nicht irre.«
Zimplitz erweckte den Eindruck, etwas zu diesem Problem beitragen zu wollen, doch Snorphosio verhinderte geschickt durch schnelles Weitersprechen eine Wortmeldung seines Kollegen. »Ihr werdet auch mit Waffen ausgerüstet werden, mit magischen Waffen, die zum besten gehören, was man in…«, Snorphosio hielt kurz inne, »… ähm, also laß uns nachsehen, was im Keller noch übrig ist, ja?«
Ich bekam das Gefühl, daß Snorphosio nur redete, um Zuversicht in mir zu wecken. Im Augenblick schien seine Strategie jedoch nicht anzuschlagen.
»Sehr gut…«, setzte Zimplitz an.
»Und noch eine Sache!« unterbrach Snorphosio seinen Mitmagier rüde. »Wir werden euch natürlich auch Sprüche und gewisse Vorschriften mit auf den Weg geben, so daß ihr, wenn ihr das Ziel erreicht habt, euch in der Lage seht, die Niederhöllen auf immer auszuschalten. Ihr werdet im Detail über diese Vorschriften in Kenntnis gesetzt werden, wenn – wir selbst entschieden haben, wie sie genau aussehen sollen.«
»In der Tat«, sagte Ebenezum. »Ich glaube, wir müssen alle noch viele Vorbereitungen treffen. Was haltet ihr davon, wenn wir uns bei Dämmerung wieder in dieser Halle versammeln?«
Jeder stimmte dem Vorschlag meines Meisters zu, und die verschiedenen Grüppchen verließen die Halle, einige von ihnen mit Spezialaufträgen von einem der drei Magier versehen.
Zum ersten Mal bekam ich es wirklich mit der Angst zu tun. Ließen sie mich an meinem letzten Tag auf der Oberfläche mutterseelenallein hier sitzen?
Einen Entschluß faßte ich jedoch: Wenn ich schon in wenigen Stunden unter die Erde gehen sollte, die Sonne vielleicht nie wieder sehen würde, wollte ich nicht den Rest meines letzten Nachmittags damit verbringen, in diesem Gemäuer herumzusitzen. Entschlossen schritt ich nach draußen.
»O Wuntie!« rief mir Alea entgegen, und ihre blonde Lockenpracht schimmerte gleißend in der späten Nachmittagssonne. »In die Niederhöllen?«
Ich wünschte mir insgeheim, sie möge zu diesem Thema schweigen. Es war schon schlimm genug, daß ich dahinfahren und ein Held sein mußte.
Aber es würde noch wesentlich schlimmer sein, den letzten Nachmittag mit Leuten verbringen zu müssen, die mich permanent an mein bevorstehendes Heldentum erinnerten.
Hubert wedelte mit seinem Zylinder in meine Richtung. »Eine edle Tat, die du da für uns alle vollbringen willst«, hub der Drache feierlich an. »Wir haben uns gedacht, später am Abend noch
Weitere Kostenlose Bücher