Ein Magier im Monsterland
zögernd. »Ich hatte eigentlich auf eine Zugabe gehofft.« Enttäuscht blickte er auf die Menge, die eifrig Tote und Verwundete fortschleppte und alles in allem so wirkte, als sei sie in Kürze noch für Darbietungen der leichten Muse zu begeistern. »Aber es hat uns ja keiner darum gebeten. Ich muß nur kurz mit Alea sprechen, dann bin ich fertig. Wenn ich es recht bedenke, ist es auch so ein wahrhaft dramatischer Abgang.«
»Wir sind sofort fertig, Meister!« brüllte ich nach unten. Als der Drache sich entfernt hatte, versuchte ich mit einem unguten Gefühl herauszufinden, ob der Greif immer noch verärgert war, doch der befand sich schon längst in einer ausgedehnten Diskussion mit dem Einhorn.
Das Wesen schüttelte seine Mähne, und langes, strahlend weißes Haar flatterte wunderhübsch im Wind.
»Laßt uns die Unbilden der Vergangenheit vergessen«, hub das Einhorn an. »Wir leben in gefährlichen Zeiten, die edle und außergewöhnliche Handlungsweisen erfordern. Und wer anders als ich könnte so etwas wohl vorschlagen?« Das Wesen nahm eine Positur ein, die mir den Atem verschlug. »Der Kampf gegen die Niederhöllen ist noch nicht zu Ende. Wir müssen zusammenhalten, um die Krise zu meistern. Du hattest da schon eine vielversprechende Idee, aber sie war noch nicht ausgereift! Was wir jetzt brauchen, ist eine große Allianz, ein Kampfbündnis aller mythologischen Kreaturen, Greif und Einhorn, Hippogreif und Drache!«
»Möglich«, brachte der Greif zweifelnd hervor. »Ich muß dazu noch einmal die Zusatzbestimmungen durchgehen. Könnte dabei wohl etwas Gold herausspringen?«
»Was brauchen wir Gold, wenn ein Einhorn euch anführt?« Die prächtige Kreatur schnaubte, und ein feiner Nebel stob aus ihren Nüstern. »Ich werde natürlich der erste auf eurer neuen Mitgliederliste sein!«
»Was?« Der Greif schlug wutentbrannt mit seinen Schwingen. »Ich werde dir dein Horn ausreißen, du eingebildetes Biest! Denn das ist vermutlich der einzige Teil von dir, der annähernd etwas wert ist!«
Alea stürzte über die Bühne auf mich zu und in meine Arme, was mich meines Interesses an dem weiteren Fortgang der Unterhaltung beraubte.
»O Wuntie!« stieß sie atemlos hervor. »Hubert sagte mir gerade, daß er den Magier ausfliegen soll und daß du und ich zusammen über Land wandern werden!« Sie umarmte mich. »Oh, es klingt ja alles so abenteuerlich!«
»Ja, Alea«, sprach ich durch die Massen blonder Locken, die mein Gesicht verdeckten. Ich drehte meinen Hals. »Hendrek! Snarks! Schuhbert! Packt eure Sachen zusammen! Wir müssen nach Vushta!«
Der Greif sah böse von seiner Unterredung mit seinem Sohn auf, der ihm gerade darzulegen versuchte, daß die Idee des Einhorns generell gar nicht einmal so dumm sein mochte.
»Weißt du, Papa«, sagte der Hippogreif, »dieses Einhorn ist wirklich süß. Ich habe nachgedacht und bin zu dem Ergebnis gekommen, daß Ozelots vielleicht doch nichts für mich sind. Gib mir eine Chance, dieses große, wundervolle Pferd etwas näher kennenzulernen…«
»Was?« brüllte der Greif in meine Richtung. »Du kannst jetzt nicht abhauen. Wir müssen noch Verträge unterzeichnen, Abkommen ertrotzen, Berge von Gold umtauschen!«
Hubert schüttelte seinen großen, zähnebewehrten Drachenkopf. »Tut mir leid, wir müssen gehen. Es wird keine weiteren Dämonenattacken mehr geben. Doch das Schicksal von Vushta, ja, das der ganzen Welt, hängt nun von uns ab. Würden wir auch nur einen Tag länger hier verweilen, gibt es vielleicht kein Morgen mehr!«
»Oh«, bemerkte der Greif, »natürlich, wenn du es so sagst.«
Auch ich war von Huberts Rede beeindruckt. Ich entdeckte Vorteile darin, einen Schauspieler in die Politik zu schicken. Ich kniete mich an das Loch und wechselte ein paar Worte mit meinem Meister.
»Kameraden!« wandte sich der Greif an die Versammlung. »Unsere Freunde müssen uns verlassen, denn Dinge, die auch unsere Leben betreffen, sind von ihnen noch zu erledigen. Wir, die wir, wenn auch nur für kurze Zeit, an ihrer Seite gekämpft haben, haben sie im Laufe der Ereignisse als Kameraden akzeptieren gelernt. Wir werden euch vermissen! Wir wünschen euch gutes Wetter und eine schnelle Reise!«
Bei diesen Worten kletterte der Magier aus seinem Loch, hielt sich sorgfältig die Nase zu und stieg auf Huberts Rücken. Der Drache winkte kurz der Menge zu. »Bis zum nächsten Mal!« rief er. »Wir lieben euch alle! Auf in die Lüfte und hinweg!« Drache und Passagier waren
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