Ein Magier im Monsterland
schlichte Pilger, doch aus religiösen Gründen dürfen wir bestimmte Worte nicht aussprechen!« Er zog einen Sack mit Gold aus dem Innenfutter seiner Roben. »Glücklicherweise sind wir reiche schlichte Pilger, und werden Euch daher für Eure Dienste gut entlohnen.«
»Oh«, lächelte der Schiffer uns an. »Warum habt Ihr das nicht gleich gesagt? Wohin wollt Ihr?«
»Nun, ich möchte, daß Ihr mich und meine beiden Gefährten von hier in ein anderes Land bringt.«
»Und weiter?« wollte der Bootsmann wissen. »Kommt, guter Pilger, ich kann Euch nicht übersetzen, wenn ich nicht weiß, wohin ich Euch übersetzen soll. In welches Land also wollt Ihr?«
»In der Tat«, beschied ihn der Magier nachdenklich. »Wir wollen in eine große Stadt, auf der anderen Seite des – ähm – Wassers. Eine Stadt voller Magie.«
»Aha!« rief der Bootsmann in freudigem Verständnis aus. »Ihr wollt mein Boot mieten, damit ich Euch über das Binnenmeer nach Vushta bringe! Nun, das ist ganz einfach…«
Er hielt inne und schüttelte sich, die Augen drehten sich himmelwärts. »Mieten? Binnenmeer? Vushta?« Er schielte nicht mehr, ein herzliches Lachen ertönte. »Ich lache so gerne.«
»Verdam-die-dam-die-damnis«, dudelte Hendrek hinter uns.
»O nein!« stöhnte ich auf. »Wir dürfen noch nicht einmal dezent darauf anspielen, daß wir ein Boot nach Vushta mieten wollen, nicht wahr?«
»In der Tat nicht«, erwiderte Ebenezum. »Offensichtlich funktioniert dieser Spruch…« Er unterbrach sich; ein Zittern durchlief seinen Körper, seine Pupillen rollten auf ganz unzauberische Weise. »Vushta? Boot? Mieten?« Der Magier nieste.
»Meister?« flüsterte ich entsetzensstarr.
Ebenezum wandte sich mir zu, sein Gesicht von einem seligen Lächeln erhellt. »Ich bin ein guter Magier. Ich habe so schöne Roben! In der Tata gaga!«
Er nieste erneut.
»Meister!« schrie ich. Oh, was hatte ich getan?
»Verdam-die-dam«, summte Hendrek glücklich.
Kapitel Dreizehn
Manche Leute halten Magier für nichts weiter als Zeitgenossen mit spitzen Hüten, die gern herumlaufen und andere Zeitgenossen in Kröten verwandeln. Nichts jedoch könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Vielleicht sollten sich die Magier bezüglich dieser Vorurteile einmal treffen und ein oder zwei Slogans entwerfen, um ein menschlicheres Bild unserer Profession zu vermitteln, etwa so: ›I Like Magier!‹ oder ›An meine Haut lasse ich nur Wasser und Magie!‹. Doch befürchte ich, daß ein solches Treffen nicht stattfinden wird, denn alles in allem sind Magier allesamt Eigenbrötler. Trotzdem sollte das den geneigten Leser nicht von einem tieferen Verständnis für meine Zunft abhalten. Sollte eine junge Dame einen Magier beispielsweise auffordern, ihr den Rücken zu schrubben, so wird er das wohl gerne übernehmen. Sollte der geneigte Leser dagegen dem ersten der beiden Slogans nicht freudig zustimmen, bin ich mir sicher, daß jeder Magier ihn ohne Zögern in eine Kröte verwandeln wird!
- aus den LEHREN DES EBENEZUM, Band I
»Wuntvor!«
Eine Frauenstimme rief meinen Namen. Ich drehte mich herum und verlor beinahe das Gleichgewicht.
Es war Norei.
»Geliebte!« schrie ich, während ich auch schon über die Docks auf die kopfsteingepflasterte Straße rannte, auf der sie stand. »Ich bin ja so froh, daß du hier bist! Ebenezum, Hendrek, alle Dorfbewohner…«
»O Liebster«, sagte sie. »Ihr habt also versucht, ein Boot nach Vushta zu mieten, nicht wahr?«
»Du weißt es! Es war…« Ich begann zu zittern. Die Sprache versagte. Was war ein Boot? Was war ein Vushta? Was hieß mieten?
»Oh, tut mir leid«, sagte Norei. Sie rezitierte rasch eine Reihe von magischen Worten. Ich blinzelte.
»…schrecklich«, beendete ich meinen Satz und warf mich in ihre Arme.
»Ich hatte keine Wahl! Ich sehe ja ein, daß es ein schweres Geschütz war, aber ich mußte doch irgend etwas unternehmen – Wuntvor, bitte!« stieß sie tadelnd hervor, nachdem es ihr gelungen war, sich aus meiner Umklammerung zu befreien. »Ich weiß, daß du froh darüber bist, mich zu sehen, und ich bin ja auch froh darüber, wieder bei dir zu sein, aber ehrlich, wenn ich dich küsse, kann ich nur noch an Krähen denken.«
Ich löste mich erstaunt von ihr. Was sagte sie da?
»So ist schon besser. Ich fürchte sowieso, wir müssen jetzt viel zu viele Dinge erledigen, als daß wir Zeit für uns beide erübrigen könnten. Warte, bis diese Sache vorbei ist, Wuntvor. Dann können wir
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