Ein magischer Walzer
so schrecklich romantisch aus, nicht wahr?“, bemerkte Lady Elinore nachdenklich.
„Romantisch?“ Mr. Bemerton starrte sie an.
Lady Elinores blasse Wangen färbten sich hellrot. „In einem poetischen Sinn“, sagte sie würdevoll. „Außerdem hat er ein beachtliches musikalisches Talent, das jeder rationale Mensch bewundern würde.“
Mr. Bemertons Blick verfinsterte sich. „Mit ein bisschen Glück fällt er aus der Loge und bricht sich das Genick.“
„Das wäre ein großes Unglück, denn die Welt verlöre ein großes Talent“, erwiderte Lady Elinore gesetzt.
Mr. Bemerton ließ einen unhöflichen Laut hören.
Sie schaute ihn von oben herab an, wie jemand ein lästiges Insekt betrachten würde. Das Rot ihrer Wangen vertiefte sich.
Mr. Reyne erhob sich, runzelte die Stirn. „Ich habe Erfrischungen für die Pause bestellt, aber sie sind noch nicht da. Ich werde mal nachsehen, wo sie bleiben.“
„Ich begleite dich. Ich brauche frische Luft“, erklärte Mr. Bemerton mit einem Stirnrunzeln zu Lady Elinore und Faith. „Ich verspüre leichte Übelkeit.“
Hope bemerkte kaum, wie sie gingen. Faith winkte dem Grafen schüchtern zurück, und ihr Gesicht schien zu leuchten. „Er möchte, dass ich komme und mich zu ihnen in die Loge geselle. Darf ich, Mrs. Jenner?“
„Ich wüsste nicht, warum nicht, meine Liebe. Lady Thorn ist dort, also spricht nichts dagegen. Und ich sehe meine Freundin Lucille in der Loge nebenan. Hope, Sie werden uns begleiten.“ Und nicht hier bleiben und am Ende mit Mr. Reyne sprechen, fügte Hope im Geiste hinzu. Sie lächelte süß. „Danke, nein.“ Ihre Anstandsdame musterte sie streng. „Dann seien Sie so gut und bleiben Sie an Lady Elinores Seite. Ich werde Sie von Lucilles Loge aus im Auge behalten.“
An der Tür blieb sie stehen, blickte zu Mr. Reynes leerem Stuhl. „Und wenn ich wiederkomme, werden wir für den Rest der Aufführung die Plätze tauschen.“ Mit diesen Worten ließ sie Hope mit Lady Elinore allein.
Sie hatten kein Wort miteinander gewechselt seit dem Tag der Teeparty für die Waisen. Hope hatte zweimal vorgesprochen, aber Lady Elinore war nicht zu Hause gewesen. Daraufhin hatte Hope eine Nachricht gesandt, die jedoch unbeantwortet geblieben war. Jetzt starrte Lady Elinore ins Publikum, offenbar gefesselt von der Aussicht, doch Hope ließ sich nicht täuschen.
Sie wollte eine Brücke über die Kluft zwischen ihnen schlagen, aber ihr fiel nicht ein, was sie sagen konnte. Sie hatten wenig gemein: Lady Elinore war eine gebildete Dame mit strikten Prinzipien, die unermüdlich für andere wirkte. Hope dagegen hatte nur wenig Bildung genossen, sie war hoffnungslos ungeschickt in den meisten vornehmen Beschäftigungen, und ihr Lebensmotto war der selbstsüchtige Wunsch nach persönlichem Glück.
Hope wusste, ihre Worte hatten die Ältere irgendwie getroffen. Sie hatte erst zu spät gemerkt, wie verletzlich Lady Elinore war. Sie wirkte immer so selbstsicher und so überzeugt von der Richtigkeit der Theorien ihrer Mutter.
Schlimmer noch, Hope wollte ihren Verehrer für sich. Sie war schon eine Weile halb verliebt in Mr. Reyne gewesen, aber seit sie sich geküsst hatten ...
Das Schweigen in der Loge wurde unerträglich spannungsgeladen. Hope brach es als Erste. „Lady Elinore, ich weiß sehr gut, dass ich Sie gekränkt habe, und das bereue ich zutiefst. Bitte nehmen Sie meine Entschuldigung an. Ich hätte nicht so respektlos über Ihre Mutter sprechen dürfen.“
Lady Elinore rührte keinen Muskel. Gerade, als Hope sich fragte, ob sie sie überhaupt gehört hatte, sagte sie zusammenhanglos: „Mutter billigte Musik nicht. Sie fand, dass sie gut sei, um zu beruhigen, aber sie entflamme auf der anderen Seite wilde Leidenschaften. Daher beschloss sie, es sei besser, Musik um jeden Preis zu meiden.“
Voller Mitgefühl blickte Hope sie an. „Unser Großvater hielt Musik für sündig. Wir haben keine Musik gehört, bis wir nach London kamen, mit Ausnahme von Faith’ kleiner Holzflöte, die sie trotz seines Verbotes immer heimlich gespielt hat. Den Dienstboten war sogar verboten zu pfeifen.“
Beide schwiegen wieder, doch diesmal war es kein unbehagliches Schweigen.
Lady Elinore seufzte. „Ich habe immer versucht, Mutters Geboten zu folgen - sie war eine außergewöhnliche Frau, wissen Sie, mit wunderbaren, rationalen Ideen -, aber Musik scheint das Eine zu sein, auf das ich nicht verzichten kann.“
„Ich sehe nicht, warum Sie auf etwas verzichten
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