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Ein magischer Walzer

Titel: Ein magischer Walzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gracie
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anfangen.“
    Alle standen auf, und Cassie ging zu Sebastian. Langsam fragte sie: „Du bist also wirklich unser echter Bruder und hast uns verloren, als wir klein waren?“
    Sebastian nickte. Das Eingeständnis schmerzte. „Ja.“
    „Und jetzt hast du uns gefunden.“
    „Ja.“
    „Und du willst, dass wir so etwas wie eine Familie werden.“ „Wir sind eine Familie.“ Die Worte knurrte er beinahe. „Du hast keine andere Wahl, Cassie. Ihr beide seid meine Schwestern, und ich bin euer Bruder. Ich werde euch nicht noch einmal verlieren.“
    Sie rümpfte die Nase, als wäre das etwas, worüber sie erst noch nachdenken wollte. Ihre nächste Äußerung erstaunte ihn. „Du hast davon erzählt, als ich noch ein Baby war. Wie war Dorie?“, fragte sie mit argwöhnischer Miene.
    Es war eine Art Test, begriff Hope, und das wusste er auch. Sebastian schaute zu Dorie, die sich zu ihm umgedreht hatte und ihn eindringlich musterte. „Sie war klein und süß und nicht halb so laut wie du. Sie hat nicht viel geschrien, aber sie konnte es. Laut und kräftig, wenn sie wollte.“
    Hope verstand, was er damit sagen wollte. Dorie hatte damals eine Stimme gehabt.
    Cassie nickte, offenbar befriedigt. Sie wandte sich ab, aber Sebastian fasste sie am Arm und erklärte mit gesenkter Stimme. „Wir sind eine Familie, Cassie. Auch wenn ich dabei versagt habe, auf dich und Dorie in den ersten zwölf Jahren aufzupassen, wird es in Zukunft anders sein, das verspreche ich dir.“
    Sie warf ihm einen nachdenklichen Blick zu, dann zuckte sie gewohnt gleichgültig die Schultern und ging zu dem Teetisch, um sich einen Muffin und eine Gabel zu holen.
    Plötzlich herrschte eine ausgelassene Stimmung im Raum, während die Mädchen hin und her liefen, sich Muffins holten und aufspießten, sich vor den Kamin knieten, um sie zu rösten, und dabei fröhlich schwätzten, als habe sich nichts von Bedeutung ereignet.
    Sebastian hingegen fühlte sich erschöpft. Die Geschichte zu erzählen hatte ihn aufgewühlt, die alten Schuldgefühle und den Schmerz nach oben gespült, den er so lange unterdrückt hatte.
    Er beobachtete, wie Cassie Dorie einen Muffin gab. Sie beschützte ihre kleine Schwester. Natürlich sprach das für sie, aber er konnte nicht aufhören, sich zu wundern, vor wem oder was sie Dorie hatte beschützen müssen. Wann und warum hatte Dorie aufgehört zu sprechen? Und hatte irgendjemand Cassie beschützt?
    Hope berührte ihn leicht am Arm. „Machen Sie sich keine Sorgen. Sie brauchen Zeit, alles zu verarbeiten. Gerade haben Sie ihre ganze Welt auf den Kopf gestellt.“
    „Nein, das glaube ich nicht.“ Er nickte zu den Mädchen. „Sie sind genauso wie vorher. Ich denke, es ist ihnen egal.“
    Der Duft gerösteter Muffins füllte die Luft.
    Sie schüttelte den Kopf. „Vertrauen Sie mir, es ist ihnen nicht egal. Einzig ihr Stolz hält sie zurück. Und vielleicht ein wenig Angst.“
    „Angst?“ Er runzelte die Stirn. „Aber ich habe niemals ... ich würde nie ..."
    Sie unterbrach ihn, drückte seinen Arm. „Nicht diese Angst. Sie haben Angst, dass Sie zu gut sind, um wahr zu sein. Diese Angst ist sehr stark, wissen Sie - der Gedanke, dass jemand, der stark und gut wie Sie ist, sie will und sie beschützt, komme, was da wolle.“
    In ihren Augen glänzten unvergossene Tränen. „Die Geschichte, die Sie erzählt haben, kann niemand hören und ungerührt bleiben. Sie wollen so gerne glauben, dass sie Teil einer Familie sind, aber tief innerlich haben sie Angst, es zu glauben. Trotzdem wissen diese Mädchen, was Sie für sie getan haben. Sie waren selbst bloß ein Junge, nur wenig älter als Cassie jetzt, und mussten schon die Last der Welt auf Ihren Schultern tragen. Kein Wunder, dass sie so breit und kräftig sind.“ Sie holte zitternd Luft, dann flüsterte sie: „Diese Mädchen wissen wie ich, dass ihr Bruder ein Held ist, wie man ihn nicht alle Tage trifft.“
    Er winkte ab, aber sie beharrte: „Wenn Sie verstehen wollen, wie schwer es für Cassie und Dorie ist, Ihnen zu zeigen, dass es ihnen etwas bedeutet, denken Sie nur daran, wie schwer es Ihnen fällt, sich selbst zu verzeihen. Denn Sie geben sich die Schuld, nicht wahr?“
    Er starrte sie an, erschüttert, dass sie seine Gedanken gelesen hatte.
    Mit leiser, eindringlicher Stimme fuhr sie fort: „Sie geben sich die Schuld an Johnnys Tod, Sie geben sich die Schuld daran, die Mädchen verloren zu haben, Sie nehmen die Schuld für alles, was sie erlitten haben, auf sich, und Sie

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