Ein magischer Walzer
Erde und Luft.
„Wer zuerst an der Eiche am westlichen Ende des Parks ist, hat gewonnen!“ Er erhaschte den Blick auf ein Lächeln und Blau, ehe Miss Hope Merridew an ihm vorbeipreschte. Heute trug sie ein blaues Reitkostüm und einen Hut, über dessen Krempe sich kess eine blaue Feder kräuselte. Wenigstens saß sie zur Abwechslung auf dem Pferd, statt seitwärts herunterzuhängen.
Sebastian machte sich sogleich an ihre Verfolgung. Sie hatte einen Vorsprung, aber sein Pferd war größer, kräftiger und schneller. Langsam holte er auf. Feuchte Erde spritzte ihm ins Gesicht. Er beugte sich über den Hals seines Pferdes und drängte es zu höherem Tempo. Sein Blut pulste im Rhythmus der Hufschläge.
Schließlich ritten sie Kopf an Kopf. „Guten Morgen, Miss Hope“, rief er spöttisch. „Es tut mir sehr leid, dass ich Sie überhole.“
Sie lachte. „Versuchen Sie es nur!“
„Oh, das werde ich. Nicht wie ein Gentleman gehandelt, ich weiß, aber ...“ Er beugte sich tiefer über den Hals des Tieres, mehr wie ein Jockey als ein eleganter Reiter. „... ich bin nun mal kein Gentleman!“ Und damit überholte er sie, erreichte etwa fünfzehn Sekunden vor ihr die Eiche.
Lachend kam sie an. „Danke! “, rief sie atemlos. „Ich hasse es, wenn man mich gewinnen lässt.“
Er war überrascht. „Gefällt es Ihnen nicht zu gewinnen?“
„Doch. Aber es ist nicht gewonnen, wenn einem der Sieg geschenkt wird. Das nimmt der Sache den ganzen Spaß. Ich werde lieber beim Wettreiten fair besiegt, als dass ich wegen eines Anfalles von Ritterlichkeit gewinne.“ Ihre Wangen waren gerötet, ihr Hut saß schief, und das Haar hing ihr ins Gesicht - Sebastian hatte nie etwas Schöneres gesehen.
Sie nahm ihren Hut ab, schüttelte ihr Haar aus und setzte ihn wieder auf.
Mit Mühe brachte Sebastian seinen Körper unter Kontrolle, zwang sich, milde zu erklären: „Allerdings hätten wir, glaube ich, nicht galoppieren sollen.“
Sie lachte erneut. „Ach, es ist doch weit und breit niemand zu sehen.“
Das erinnerte ihn an etwas. Er schaute in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Ja, James, der Reitknecht folgte ihnen langsam, aber beharrlich.
Sie bemerkte es und lachte unbeschwert. „Armer James, er hat wieder die schlimmste Schnecke auf Gottes weiter Flur bekommen. Weil er den Stallburschen beleidigt hat, muss er sich immer mit dem übelsten Reittier begnügen, mit dem die Ställe aufwarten können.“ Sie lächelte, sodass ihre Grübchen erschienen. „Ich scheine immer das beste zu erhalten.“
Sebastian fiel es nicht schwer, das zu glauben.
Sie holte tief Luft. „Riecht es nicht himmlisch, so frisch und rein nach dem Regen?“
„Ja. Sollen wir zu Ihrem Reitknecht zurückreiten?“ Sebastian hatte die vage Ahnung, dass die Anwesenheit des Burschen ihn davon abhalten würde, etwas zu tun, was er später bereuen würde.
Entschlossen schüttelte sie den Kopf, sodass die Feder über ihre Wange strich. „Nein, James wird uns irgendwann einholen. Lassen Sie uns nach dort drüben reiten, zum See. Ich würde gerne sehen, ob inzwischen mehr Entenküken geschlüpft sind. Gestern habe ich drei der süßesten, gelbbraunen Federbällchen bemerkt. Wenn es mehr gibt, dachte ich, könnte ich Ihre Schwestern morgen hierher statt in den Green Park bringen. Frisch geschlüpfte Entenküken sind so niedlich.“
Sebastian war solch selbstverständliche Freundlichkeit nicht gewohnt. Seine Schwestern müssten ihr gleichgültig sein. Sie waren keine Verwandten. Er hatte ihr ins Gesicht gesagt, dass er Lady Elinore den Hof machte. Gedankenlose Grausamkeit, das kannte er, damit konnte er umgehen. Grundlose Freundlichkeit war ihm neu.
Sie lenkten ihre Pferde zum Teich. Die Morgensonne stand höher am Himmel, wärmte die feuchte Erde, sodass leichte Dampfschwaden emporstiegen. In der Ferne begann die Stadt zu erwachen. Nach einer Weile fiel ihm auf, dass sie schweigend nebeneinander ritten.
„Ich bin froh, dass Sie heute richtig herum reiten.“
Sie warf ihm einen amüsierten Blick zu. „Soll ich das als Herausforderung verstehen?“
„Nein, nein“, erklärte er hastig. „Ich bin erleichtert, das ist alles. Es ist verteufelt schwierig, sich mit jemandem zu unterhalten, während dieser sich seitlich kopfüber vom Pferd hängen lässt.“
Sie musterte ihn interessiert. „Oh, daran liegt es?“ Sie begann zu lachen. „Verzeihen Sie“, keuchte sie. „Aber das kam mir komisch vor.“
Er schaute sie fragend an, wartete auf
Weitere Kostenlose Bücher