Ein Mann für alle Fälle
inne. „Was? Was haben Sie gesagt?“
„Nichts“, erwiderte Mae schroff. „Absolut nichts.“
Mitch wurde während der Fahrt zu Gio Donatello eines klar: Mae Sullivans eigentliches Interesse galt diesem Tagebuch. Immer wieder fing sie davon an, wie eine Schallplatte, die einen Sprung hatte. Stur wie ein Maulesel war sie - aber egal, sie war seine Klientin, er musste sie so nehmen, wie sie war.
Jetzt würde er sich erst einmal Onkel Gio ansehen. Mitchs Wachsamkeit wuchs, als sie vor einem hohen, schmiedeeisernen Tor anhalten mussten und schließlich, nachdem Mae dem Leibwächter ihr Anliegen unterbreitet hatte, durchgewinkt wurden. Die Ausbuchtung unter dem Jackett des bulligen Bodyguards war nicht zu übersehen. Langsam fuhr Mitch die Auffahrt zur Villa hinauf, vor der der nächste finster aussehende Schrank postiert war.
Die zierliche, nicht weniger düster dreinblickende Hausangestellte, die sie schließlich in einen creme- und goldfarben gehaltenen Flur entlang zu Gios Büro führte, schien, soweit Mitch es erkennen konnte, nicht bewaffnet zu sein. Allerdings wirkte sie deshalb keineswegs ungefährlicher.
Das Erste, was ihm beim Betreten des Büros auffiel, war ein riesiges, in lebhaften Farben gehaltenes Gemälde der biblischen Judith, die triumphierend das abgeschlagene Haupt ihres Todfeindes Holofernes in die Höhe hielt.
„Sind das auch Verwandte von Ihnen?“, raunte Mitch Mae zu und straffte die Schultern.
Sie verzog das Gesicht, nahm ihn am Arm und zog ihn zu einem wuchtigen Schreibtisch, der vor der Fensterfront platziert war.
Und dann stand er dem legendären Gio Donatello und seinem Enkel Carlo, dem Fingerabhacker, gegenüber.
Gio würdigte Mitch kaum eines Blickes. Er verließ eilig seinen Platz hinter dem Ehrfurcht gebietenden Schreibtisch und schloss seine Nichte in die Arme, während er sich darüber beklagte, dass sie sich so lange - drei volle Tage! - nicht hatte sehen lassen.
Währenddessen unterzog Carlo Donatello Mitch einer eingehenden Musterung.
„Onkel Gio, ich möchte dir Mitchell Peatwick vorstellen“, sagte Mae, und Gio richtete seine kleinen, dunklen Augen auf Mitch. Die Raumtemperatur sank schlagartig.
„Wer ist er?“ Gios Stimme klang scharf wie eine Rasierklinge.
Mae tätschelte beruhigend seinen Arm. „Keine Aufregung, Onkel Gio. Er ist nur ein Privatdetektiv, den ich engagiert habe.“
Es wurde noch etwas kälter im Zimmer, als Carlo den Blick von Mitch nahm und Mae ansah. „Mae, Baby, du hast doch uns, du brauchst keinen Privatdetektiv. Willst du etwas herausfinden? Sag einfach, worum es sich handelt. Ich mache alles für dich.“ Nun wandte er sich an Mitch. „Sie sind gefeuert. Machen Sie, dass Sie rauskommen.“ Damit ging er auf Mitch zu, was diesen veranlasste, schnell einen Schritt zurückzutreten.
„Lass ihn in Ruhe, Carlo.“ Maes Tonfall ließ ihren Cousin innehalten. „Ich habe ihn angeheuert, weil ich ihn brauche. Ich will einen Profi.“
„Mae, Baby, sag mir einfach nur, was du möchtest, und ich erledige es für dich. Du bist doch nicht auf so einen Vollidioten angewiesen.“
Mae schenkte ihrem Cousin ihr charmantestes Lächeln. „Nein“, gab sie so bestimmt zurück, dass Carlo vor Staunen der Mund offen stehen blieb und er seine Cousine voller Bewunderung anstarrte.
„Wir übernehmen das für dich“, bekräftigte Gio.
„Kommt überhaupt nicht infrage“, widersprach Mae unerschütterlich, und Mitch fragte sich, wie oft sie das wohl noch wiederholen musste.
Noch einige Male, wie sich gleich darauf herausstellte. Mitch hatte es mittlerweile aufgegeben, dem Gespräch zu folgen, als Gio ihn aus seinen Gedanken riss.
„Setzen“, bellte er.
Mitch tat es.
Mae ließ sich in den Stuhl neben ihm fallen. „Ich habe Mr. Peatwick engagiert, damit er die Umstände von Onkel Armands Tod aufklärt.“
„Was? Armand ist an Herzversagen gestorben.“ Verständnislos starrte Gio Mae an. „Was ist er - ein Arzt?“
„Nein.“ Um ihren Onkel zu besänftigen, schenkte Mae ihm ein reizendes Lächeln. „Er ist einfach nur ein Privatdetektiv, der ein paar Dinge für mich herausfinden soll. Das ist alles, was ich will, Onkel Gio. Bitte.“
Gio gab sich geschlagen. „Wenn du meinst.“ Er blickte Mitch an. „Stellen Sie Ihre Fragen.“
Mitch zögerte. Die Sache war ihm nicht ganz geheuer. „Sie haben auch ganz bestimmt nichts dagegen?“
Gio zuckte die Schultern. „Wenn sich Mae Belle etwas in den Kopf gesetzt hat, bekommt sie es
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