Ein Mann für eine Nacht (German Edition)
beschloss, ihm noch eine zweite Chance zu geben. Vielleicht sollte sie etwas nachsichtiger sein.
„Was möchten die Herren trinken?“ fragte Anna.
„Ich möchte gerne eine Weißweinschorle.“ John legte seinen grauen Regenmantel zusammen.
„Und ich einen Ballygowan ohne Eis“, sagte Richard.
Sie floh aus dem Zimmer
„Ich werd da nicht mehr reingehen.“ Anna ließ sich auf einen Küchenstuhl plumpsen, nahm die Fernbedienung und zappte. „Ach, Fair City läuft gerade. Prima.“
„Du siehst doch nie Fair City .“ Claire befühlte das Schwarzwälder Kirschtorteneis, um zu sehen, ob es schon angetaut war.
„Das weiß ich doch.“
„Herrje Anna, du musst dich schon ein bisschen mehr anstrengen. Du bist manchmal so ungesellig.“
„Bei interessanten Menschen bin ich durchaus gesellig.“ Claire sah gerade nicht hin, und Anna stopfte sich schnell eine Cherry-Tomate in den Mund. „Es ist nur so, diese Kerle da drin ... die würden doch jeden Schlaflosen ins Koma versetzen. Ich meine, sie sehen doch wirklich nach nichts aus, oder? Aber weil sie gute Jobs haben, haben sie auch eine Frau abbekommen. Stell dir jetzt mal zwei Frauen in der gleichen Situation vor. Für die wäre es viel schwerer, einen Mann zu finden, weil die Kerle lieber eine gut aussehende Frau wollen und keine Karrierefrau. Verstehst du, was ich meine? Es ist einfach unfair den Frauen gegenüber.“
„Hör mal“, sagte Claire und schob die Schale mit den Cherrytomaten von Anna weg, „ich hab keine Zeit rumzujammern, wie ungerecht das Leben doch ist. Simon und Andrew füllen mich vollkommen aus.“
„Ach je Claire, wir haben uns geschworen, nie eine von diesen Frauen zu werden. Du weißt schon ... Babys, Ehemänner, Windeln, Volvos, Rechnungen und Waschmaschinen. Und jetzt bist du auf dem besten Weg dahin.“
Claire tat, als wäre sie plötzlich total geschockt. Sie riss sich die Schürze ab, warf sie auf den Tisch und stemmte die Fäuste in die schmalen Hüften: „Ich sollte dich rauswerfen“, schimpfte sie mit gespielter Empörung.
„Ich geh erst, wenn du mir versprichst, dass wir beiden Mädels morgen Abend um die Häuser ziehen.“
„Es ist nur so, dass ...“
„Ich mein‘s ernst. Jetzt oder nie.“
„Also gut, damit du endlich die Klappe hältst.“
Anna stand auf. „Ich würde ja bleiben und dir beim Aufräumen helfen und so, aber es war ein langer Tag und außerdem möchte ich nicht im Weg stehen ...“
„Geh schon“, befahl Claire und öffnete die Küchentür.
Anna küsste Claire auf die Wange. „Gute Nacht. Soll ich noch einmal reingehen und mich von den Kerlen verabschieden?“
„Besser nicht“, sagte Claire weise. „Ich werde sie von dir grüßen. Und ähm ... gräm dich nicht wegen dem Studenten. Das hörte sich von Anfang an nicht besonders toll an.“
Als Anna die Haustür hinter sich schloss, spürte sie sofort die beißende Januarkälte auf der bloßen Haut. Sie grub in ihren Manteltaschen nach den Handschuhen. Claire hatte recht. So umwerfend war Steve auch wieder nicht. Und er war bestimmt nicht der Anwärter auf den ersten Platz beim Traumdate des Jahres Wettbewerb. Und trotzdem war die Vorstellung, jetzt in ihre leere Wohnung zu gehen, wenig verlockend. Schließlich wohnte sie noch mit dem Mann, der sie nicht wollte, unter demselben Dach. Sie machte sich auf den Weg.
Als sie sich dem Haus näherte, sah sie, dass in der Erdgeschosswohnung Licht brannte und die Vorhänge nicht zugezogen waren. Sie fragte sich, ob die wundervolle Claudine schon aus der französischen Hauptstadt eingeflogen war und dem verknallten Steve gerade Zärtlichkeiten ins Ohr hauchte.
Sie hatte den Schlüssel zur Haustür schon in der Hand und war fast da, als sie laute Stimmen hörte. Die Tür öffnete sich einen Spalt. Anna lief es kalt den Rücken runter. Um Himmels Willen, was sollte sie jetzt tun?
Sie konnte sich ins hohe Gras des verwahrlosten Gartens werfen, aber das würde ziemlich pathetisch wirken. Vielleicht sogar verzweifelt. Sie holte tief Luft und trat mutig einen Schritt vor.
Steves Gesicht erschien. Er stand ihr gegenüber wie ein Kaninchen im plötzlichen Licht eines Scheinwerfers. Beide erstarrten.
„Äh ... Anna. Wie geht‘s dir?“
„Gut“, sagte Anna gezwungen und reckte den Hals, um einen Blick auf die vollbusige Brigitte Bardot zu werfen. Aber stattdessen sah sie eine zierliche 1,50m große Frau mit mausgrauem Haar, die in ihrem unvorteilhaften graubraunen Mantel fast versank. Sie
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