Ein Mann von Ehre
seine Verlobte zu leiden hatten.
Sie sehnte sich nach Damian, wusste indes, wie viel sie riskierte, wenn sie sich ihm auch nur ein einziges Mal hingab. Dann hatte sie nicht mehr die Möglichkeit, einen einigermaßen akzeptablen Mann zu heiraten, und wenn ihre Affäre mit dem Earl bekannt wurde, war sie gesellschaftlich ruiniert.
Andererseits hatte sie stets nur wenige enge Freunde gehabt und bisher auch keinen Mann getroffen, mit dem sie sich gern vermählt hätte. Folglich fragte sie sich, auf was sie wirklich verzichten würde, wenn sie dem Ruf ihres Herzens folgte.
Möglicherweise nahm Damian sie mit, wenn er das Land verließ. Sie würde ihn als seine Geliebte begleiten, obwohl sie wusste, dass sie dann gesellschaftlich geächtet wurde. Aber vielleicht fand sie in der Beziehung zu ihm, wenn er sie liebte, ihr Glück, und das machte den Verlust ihrer Respektabilität wert.
Dennoch erschreckte sie die Aussicht, sich derart in den Augen der Leute herabzusetzen. Sie würde von allem, was ihr bisher lieb und teuer gewesen war, abgeschnitten sein. Die Alternative war jedoch, einsam, allein und vom Leben enttäuscht altern zu müssen. Alles in ihr sträubte sich indes gegen diesen Gedanken. Sie wollte viel mehr vom Leben haben. Sie wollte Damian haben.
Plötzlich fühlte sie sich sehr unternehmungslustig, und das Herz klopfte ihr zum Zerspringen. Sie nahm sich vor, Damian zu sagen, sie müssten noch eine Weile Geduld haben. Falls er sie dann immer noch haben wollte, würde sie mit ihm gehen.
Überrascht und erfreut nahmen die Gäste die Neuigkeit von der Verlobung zur Kenntnis. Miss Holland war eine so scheue, hübsche junge Dame, dass die Nachbarn fanden, für die örtliche gute Gesellschaft sei sie eine Bereicherung. Natürlich würden ihr zukünftiger Mann und sie öfter Gäste haben als seine ledige Schwester, und man war allgemein der Ansicht, das sei nur zu begrüßen.
Rosalyn war sich bewusst, dass der Earl of Marlowe sie ständig im Blick behielt. Sie lächelte ihn an und ignorierte Mrs. Jenkins, die sie aus verengten Augen feindselig anstarrte. Mrs. Jenkins konnte ihn in der vergangenen Nacht unmöglich klar erkannt haben und höchstens vermuten, dass es sich um ihn gehandelt hatte.
Bestimmt wagte sie nicht, ihre Mutmaßungen zu äußern, und sei es auch nur aus Rücksicht auf den guten Ruf ihrer Nichte. Nach der Hochzeit war es ohnehin nicht mehr von Bedeutung, was Mrs. Jenkins über Rosalyn in der Öffentlichkeit sagte. Rosalyn war es vollkommen gleich, was Beatrices Tante dachte. Es war eine Ewigkeit her, seit sie sich zum letzten Mal so aufgeregt und lebenslustig gefühlt hatte.
Mit glänzenden Augen schaute sie Damian an und war überzeugt, er wisse, was in ihr vorging. Nachdem sie jetzt ihre Entscheidung getroffen hatte, fühlte sie sich beschwingt und schwerelos.
In einem Monat hatte sie die Freiheit, zu ihm zu gehen.
Im Verlauf des Essens und des anschließenden gemütlichen Beisammenseins fiel ihr auf, dass der Vikar sich eifrig mit ihrer Cousine unterhielt. Sie hatte ihm gesagt, dass sie und Maria eines Tages Lyston House verlassen würden. Nach dieser Neuigkeit war seine Miene sehr betroffen gewesen. Nun begriff Rosalyn, dass sie blind gewesen war, weil sie nicht gemerkt hatte, wie Maria auflebte, wenn sie mit Reverend Waller sprach.
„Woran denken Sie, Miss Eastleigh?“, fragte Damian lächelnd.
Sie spürte seinen Atem ihre bloße Schulter streifen, als er sich über die Rücklehne des Sofas zu ihr beugte. Rasch schaute sie ihn an, und das Herz schlug ihr schneller. Sein Blick war herausfordernd und ließ keinen Zweifel daran, was er ihr zu verstehen geben wollte. Sie wünschte sich, mit ihm allein zu sein. Ihre Augen leuchteten auf, und leicht öffnete sie die Lippen. Dadurch gab sie viel mehr von ihren Gefühlen für ihn zu erkennen, als ihr bewusst war.
„Ich habe daran gedacht, wie schön es wäre, wenn ich Maria und Reverend Waller dazu bringen könnte, sich ihre gegenseitige Zuneigung einzugestehen, ehe ich von hier fortziehe.“
„Sie wollen nicht mehr hier leben?“, fragte Damian und schaute gespannt Miss Eastleigh an.
„Nein. Nach der Hochzeit werde ich ausziehen. Vorher geht das natürlich nicht.“ Rosalyn lächelte, als sie den verständnisvollen Ausdruck in den Augen Seiner Lordschaft sah. „Ich habe daran gedacht, mir ein Cottage oder vielleicht ein kleines Haus in Bath zu kaufen, bin jedoch inzwischen zu dem Standpunkt gelangt, dass ich lieber im Ausland leben
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