Ein Mann von Ehre
mich heiratest. Ich weiß, dass du nicht daran denkst, dich zu vermählen.“
„Ach, weißt du das wirklich so genau?“ Er musste sich zwingen, nicht zu lächeln, denn er hatte begriffen, dass sie ernsthaft in Erwägung zog, seine Geliebte zu werden, eine Entscheidung, die für sie sicher sehr schwer war. Sie war einzigartig! Am liebsten hätte er sie auf die Arme gehoben und in sein Schlafzimmer getragen, doch er wusste, es war ratsamer, sich zurückzuhalten. „Ich gebe zu, dass ich nicht das Recht habe, dich oder eine andere Frau zu bitten, meine Schande mit mir zu teilen. Doch damit will ich nicht sagen, dass ich nicht daran gedacht hätte.“
„Deine Schande?“ Überrascht schaute Rosalyn ihn an. „Du meinst den alten Skandal?“
„Ja, aber das ich nicht alles“, antwortete Damian ausweichend. „Leider kann ich dir nicht sagen, was in den nächsten Wochen noch alles geschehen wird. Erst wenn ich Gewissheit habe, kann ich dir einen Heiratsantrag machen, Rosalyn. Bis dahin wäre eine intime Beziehung zwischen uns von ungewisser Dauer.“
„Ich verstehe.“ Tief im Innern hatte Rosalyn das gewusst, aber dennoch tat es weh, das zu hören. Sie kämpfte gegen die Tränen an und richtete tapfer den Blick auf Damian. „Lass mir etwas Zeit. Ich muss mir meiner sicher sein.“
Er küsste sie. Der Kuss war so zart und liebevoll, dass ihre Entschlossenheit, sich ihm noch nicht hinzugeben, ins Wanken geriet. Sie sehnte sich nach Wonnen, die sie bisher nicht erlebt hatte und durch Damian zu finden hoffte, und fragte sich, warum und auf wen sie noch warten solle. Sie war schon siebenundzwanzig Jahre alt. Es war unwahrscheinlich, dass ihr noch ein Mann begegnete, in den sie sich verliebte. Sie wäre dumm, die einzige Gelegenheit, glücklich zu werden, nicht zu ergreifen, solange sie sie hatte, ganz gleich, wie lange ihr Glück währen würde.
„Ich denke, Damian …“, begann sie atemlos.
„Nein, sprich es nicht aus.“ Rasch legte er ihr den Zeigefinger auf die Lippen. „Nicht heute Nacht“, fuhr er fort und lächelte, weil Rosalyn ihn so verwirrt anschaute. „Es wäre nicht richtig von mir, die Situation auszunutzen. Du musst Zeit zum Nachdenken haben, mein Schatz. Ich komme morgen Abend zu dir zum Essen. Dann kannst du mir sagen, wie du dich entschieden hast.“
Plötzlich kam die Hündin bellend herbeigelaufen und sprang fröhlich um Damian und Rosalyn herum.
„Ich muss gehen, ehe sie das ganze Haus aufweckt“, sagte Rosalyn und drückte Damian einen Kuss auf die Wange.„Gute Nacht, Damian. Du sollst wissen, dass ich dir gut bin und es immer sein werde, ganz gleich, was zwischen uns geschieht.“
Er drückte sie fest an sich, gab ihr noch einen Kuss und merkte, dass sie sich ihm innig hingab, sich an ihn schmiegte. Er spürte ihr Verlangen und ihre Verletzlichkeit. Schließlich löste er sich von ihr und gab ihr einen kleinen Schubs, damit sie ging, ehe es zu spät war.
„Geh, meine Amazone“, murmelte er rau. „Geh, solange ich noch die Kraft habe, dich ziehen zu lassen.“
Er schaute ihr hinterher, bemüht, sein Verlangen nach ihr zu unterdrücken, und verwünschte seine Auffassung von Anstand, die ihn zwang, sie gehen zu lassen. Es verlangte ihn sehr nach ihr, doch er hatte sie so gern, dass er fand, er dürfe sich in dieser Nacht noch nicht mit ihr einlassen, weil sie so verletzbar war.
Damian drehte sich um und erblickte unvermittelt hinter einem Fenster in der ersten Etage ein Gesicht. Da Rosalyn soeben erst in den Salon zurückgekehrt war, konnte es nicht sie sein, die in den Park lugte. Eine andere Person musste sie beobachtet haben. Die Versuchung, Rosalyn an sich zu ziehen und zu küssen, war überwältigend gewesen. Und nun hatte mutmaßlich jemand sie gesehen und vermutlich ganz falsche Schlussfolgerungen gezogen.
Er verfluchte seine Gedankenlosigkeit, rief den Hund und machte sich auf den Rückweg. Er wusste zu gut, was Klatschmäuler aus einer solchen Beobachtung machen konnten, selbst wenn der Kuss ganz harmlos gewesen war. Er hatte Roderick Harrington zum Duell gefordert, um Helens Ehre zu verteidigen. Erst nach dessen Tod hatte er festgestellt, dass ein anderer Mann noch größere Schuld trug.
Roderick Harrington hatte Helen belästigt, als sie allein über eine Landstraße ging, und sie, obwohl sie vor Angst schrie, in seine Kutsche gestoßen. Es war jedoch sein Bruder Bernard gewesen, der sie geschändet hatte. Er hatte ihr das Herz gebrochen, sodass sie sich vor Scham
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