Ein Mann von Ehre
nicht, dass du meine Unterstützung brauchst.“
„Ich habe mich nur mit der größten Mühe zurückgehalten“, gestand Rosalyn. „Unter anderen Umständen hätte ich Mrs. Jenkins mit Vergnügen aus dem Haus geworfen.“
„Und ich hätte die Tür hinter ihr versperrt! Der liebe Reverend Waller war entsetzt. Er mag Seine Lordschaft und meinte, der Earl sei in jeder Hinsicht ein wahrer Gentleman. Wir fanden, Lord Marlowe habe sich sehr anerkennenswert benommen.“
„Der Vikar hat recht“, stimmte Rosalyn zu. „Ich habe stets Respekt vor seiner Menschenkenntnis gehabt. Ich glaube, er ist ein guter Mensch, freundlich, zuvorkommend und vernünftig, jemand, auf den man sich in Notzeiten verlassen kann.“
„Ja genau, das ist er, und noch viel mehr.“ Maria wirkte nachdenklich. „Oh, unsere Gäste wollen gehen, meine Liebe. Du solltest dich von ihnen verabschieden.“
„Ja, natürlich.“
Mittlerweile hatte Rosalyn die Fassung wiedergefunden und war imstande, die Gäste zur Haustür zu begleiten. Herzlich verabschiedete man sich, aber sie bemerkte, dass einige der Leute sorgenvolle Gesichter machten. Keiner von ihnen war jedoch willens, über den peinlichen Zwischenfall zu reden. Man kehrte ihn am besten unter den Teppich und vergaß ihn.
Nachdem alle Gäste gegangen waren, begab sie sich sofort in ihr Zimmer. Sie war nicht in der Stimmung, mit dem Bruder oder Mrs. Jenkins zu sprechen. Schon im Begriff, sich für die Nacht herzurichten, hörte sie jemanden an die Tür klopfen und seufzte resigniert.
„Herein!“
Der Bruder betrat den Raum. Er wirkte verlegen, und sein Gesicht war leicht gerötet. Sie ahnte, dass er sich unbehaglich fühlte und sich schämte. Das war nur recht so!
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Rosalyn“, äußerte er, ohne sie anzusehen.
„Dann schweig! Ich begreife deine Lage.“
„Du hättest nicht von Beatrices Tante erwarten können, dass sie mit der Anwesenheit eines Mannes einverstanden ist, der ihren Bruder getötet hat.“
„Nein, natürlich nicht. Es ist bedauerlich, dass niemand von uns Bescheid wusste. Sie hätte jedoch mit dir unter vier Augen darüber reden können. Es bestand wirklich kein Grund, vor den Gästen eine solche Szene zu machen und Seine Lordschaft dadurch zum Gehen zu nötigen. Es tut mir leid, aber ich kann Mrs. Jenkins nicht ausstehen. Nicht einmal dir zuliebe werde ich sie je mögen. Ich hoffe, dass sie keine Belastung für dich wird, wenn du Beatrice geheiratet hast. Du wirst vorsichtig sein müssen, damit ihre Tante euch nicht das Leben schwer macht.“
„Du weißt, dass ich sie am liebsten vor die Tür setzen würde.“ Frederick entspannte sich etwas, als er die Schwester lächeln sah. „Es tut mir wirklich leid. Ich hätte dich um keinen Preis der Welt freiwillig in eine so unangenehme Situation bringen wollen. Magst du den Earl of Marlowe?“
„Ja. Wie der Zufall es will, habe ich ihn sehr gern.“
„Das dachte ich mir.“ Frederick spielte mit seiner Uhrkette und fühlte sich sichtlich schuldbewusst. „Hast du daran gedacht, ihn zu heiraten?“
„Würde es eine Rolle spielen, falls ich mich mit diesem Gedanken trage?“
„Für mich nicht“, antwortete Frederick. „Auf mich hat er einen guten Eindruck gemacht. Aber du weißt, wie die Dinge im Augenblick liegen.“
„Ja, natürlich.“ Einen Moment lang war Rosalyn wütend und fragte sich, ob der Bruder nicht merke, wie egoistisch er war. „Ich habe nicht die Absicht, Lord Marlowe zu ehelichen, falls dich das beruhigt. Und solange Mrs. Jenkins im Haus ist, werde ich ihn auch nicht mehr einladen.“
„Ich weiß, dass ich nicht das Recht habe, dich darum zu bitten, möchte dich jedoch ersuchen, ihn bis nach meiner Hochzeit nicht mehr zu sehen. Mrs. Jenkins ist eine schreckliche Person, die, falls sie Klatsch über dich und Lord Marlowe hört, ihre Einwilligung zur Ehe zurückziehen könnte.“
„Welche Art Klatsch?“ Rosalyn sah dem Bruder in die Augen. Er wandte den Blick ab. Offenbar war ihm von Mrs. Jenkins erzählt worden, dass sie den Earl und Rosalyn nachts im Park gesehen hatte. „Es gibt nichts, worüber man klatschen könnte, Freddie, ganz gleich, was man dir berichtet haben mag. Glaub mir, Seine Lordschaft und ich haben uns nur geküsst.“
„Du meine Güte! Ich habe nicht angenommen, dass mehr zwischen euch war“, erwiderte Frederick hastig. „Ich kenne dich. Die Leute nehmen jedoch gern immer gleich das Schlimmste an. Und du hast hier praktisch
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