Ein Mann von Ehre
nicht dazu aufgelegt bist.“
„Das eine wie das andere ist mir recht“, erwiderte Damian und strich der Gattin eine Locke hinter das Ohr. „Mir liegt nur an deinem Glück. Geh jetzt zu Jared, mein Schatz. Ich muss Briefe schreiben.“
Lächelnd nickte Rosalyn. Er ging zum Haus, und sie schlenderte zum Strand. Der Prinz hatte Stöckchen ins Wasser geworfen, drehte sich jedoch zu ihr um, als er sie ihn rufen hörte. Sie sah, dass er sein Haar hatte kurz schneiden lassen. Jetzt sah er noch europäischer aus als sonst.
„Ich habe mein Haar abgeschnitten“, erklärte er und schaute sie entschuldigend an. „Nessa war wütend auf mich. Rajib hat nichts dazu gesagt. Ich glaube, auch er ist mir böse, weil er denkt, ich hätte ihn und alles, an das er glaubt, verraten. Doch das ist mir gleich. Ich habe beiden gesagt, dass sie nach Indien zurückreisen sollen. Ich bin kein Kind mehr. Ich brauche kein Kindermädchen.“
„Die Frisur steht Ihnen gut“, sagte Rosalyn ehrlich. „Sie sollten sich jedoch nicht gegen die Menschen stellen, die Sie gern haben, besonders nicht gegen Ihren Vater. Er wollte Sie nicht enterben, hatte jedoch keine andere Wahl. Was er getan hat, war zu Ihrem Besten.“
„Er hat mich zugunsten des Sohnes seiner zweiten Frau verstoßen“, erwiderte Jared verbittert. „Er hat mich und das Andenken an meine Mutter verraten.“
„Sie müssen ihm dennoch verzeihen, falls Sie dazu fähig sind.“ Rosalyn sah Tränen in seinen Augen schimmern. Obwohl er sich wie ein Erwachsener gab, war er immer noch ein Kind, das verletzt worden war. Sie begriff, was es für ihn bedeutete, von seinem Vater verstoßen worden zu sein, und breitete einladend die Arme aus. „Sie sind nicht allein. Damian und ich haben Sie gern. Für uns sind Sie wie ein Sohn. Ich weiß, das, was geschehen ist, hat Sie verletzt …“
Mehr konnte sie nicht äußern. Der Prinz warf sich ihr in die Arme und weinte sich den so lange zurückgehaltenen Kummer von der Seele. Sie drückte ihn an sich, hielt ihn fest und ließ ihn sich ausweinen. Nach einer Weile küsste sie ihn auf den Kopf und strich ihm über das ziemlich kurz geschnittene Haar. Sie tröstete ihn, bis er sich beruhigt hatte.
„Mit der Zeit wird alles leichter für Sie werden“, versicherte sie ihm. „Sie werden begreifen, dass Ihr Vater seine Entscheidung zu Ihrem Besten getroffen hat. Versuchen Sie, nicht verbittert zu sein. Sie erreichen nichts, wenn Sie Ihren Vater hassen.“
Jared löste sich von der Countess, hob den Kopf und sah sie stolz an. „Sie sind sehr klug“, erwiderte er. „Ich werde mich bemühen, das zu tun, was Sie mir geraten haben. Aber es wird mir sehr schwerfallen.“
„Gehen wir ins Haus zum Tee“, sagte sie, ergriff ihn bei der Hand und begab sich mit ihm zum Haus. „Mein Mann und ich sind heute Abend beim Comte Devere eingeladen. Was ich soll anziehen? Mein grünes oder das rote Kleid?“ Zuneigungsvoll legte sie dem jungen Prinzen den Arm um die Taille.
„Sie sehen immer hinreißend aus“, antwortete er. „Aber das rote Kleid ist meiner Meinung nach eleganter als das andere. Wenn wichtige Gäste anwesend sind, sollten Sie das anziehen und den Diamantschmuck anlegen, den der Earl Ihnen gestern geschenkt hat.“
„Dann werde ich sehr prächtig aussehen, nicht wahr?“ Lachend betrat Rosalyn das Haus, den Arm noch immer lose um die Taille des Prinzen gelegt. „Ja, ich glaube, Sie haben recht, Prinz Jared. Ich werde das rote Kleid anziehen.“
Der Prunk im Schloss des Comtes überraschte Rosalyn. Das Gebäude war angefüllt mit Kostbarkeiten aller Art. Gemälde alter Meister schmückten die Wände, und das Mobiliar war so erlesen wie das in Versailles und im Louvre. Beide Paläste hatte sie mit Damian besucht. Der Comte Devere war offensichtlich sehr reich und ein Connoisseur.
Sie schritt mit dem Gatten die Prunktreppe hinauf und wurde vom Hausherrn in einem Salon begrüßt, der noch größer und prächtiger eingerichtet war als der im Parterre. Ein Blick auf den Comte genügte ihr, um zu wissen, dass die Geschichten des Gatten über ihn nicht übertrieben waren. Er hatte rabenschwarzes Haar und so blaue Augen, dass sie sich durch ihren Anblick an die Farbe des Mittelmeers im Sonnenschein erinnert fühlte. Er war sehr elegant gekleidet und hatte perfekte Manieren.
Er hob Rosalyns Hand zum Kuss an die Lippen und hielt sie eine Sekunde länger als nötig fest. Sein Blick bekundete ihr, dass sowohl ihr sehr tief dekolletiertes
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