Ein Mann von Ehre
Stimmungsschwankungen hatten bei ihr den Eindruck entstehen lassen, zwischen ihnen stünde eine unsichtbare Mauer.
Nachdem die Kutsche vorgefahren war, verabschiedete man sich vom Hausherrn und den Gästen. Damian half Rosalyn in den Wagen und setzte sich neben sie. Dann stützte er den Kopf an die Rücklehne und schloss die Augen.
Auf dem Heimweg schwieg er. Rosalyn ahnte, dass er sich über etwas geärgert hatte, fühlte sich jedoch nicht geneigt, sich nach dem Grund für seine Verstimmung zu erkundigen. Es war seine Schuld, falls er eifersüchtig auf den Comte war.
Höflich wünschte er ihr eine gute Nacht, küsste sie jedoch nicht und machte auch keine Anstalten, mit ihr ins Schlafzimmer zu gehen. Unwillkürlich überlegte sie, was nicht in Ordnung sein mochte. Er hatte einmal geäußert, es könne sein, dass sie bereuen werde, ihn geheiratet zu haben. Vielleicht bereute er jetzt, dass sie verheiratet waren. Möglicherweise konnte er Lord Renshaws Schwester nicht vergessen. Vielleicht war sie der Grund, weshalb er die Nacht nicht mit ihr, Rosalyn, verbringen wollte.
Das war ein bitterer Gedanke, der sie, obwohl sie ihn zu verdrängen trachtete, nicht aus dem Sinn ging.
10. KAPITEL
Überraschenderweise erhielt Rosalyn am Tag nach dem Abendessen beim Comte Devere einen Ziergegenstand, der aus Gold, kostbaren Halbedelsteinen, Jade und Rosenquarz gemacht war und ein Blumengebinde darstellte. Sie wollte das Geschenk nicht behalten, ärgerte sich jedoch, als der Gatte ihr dringend nahelegte, es umgehend zurückzuschicken. Am meisten brachte es sie auf, dass er ihr unterstellte, sie sei bereit, mit dem Comte eine Affäre zu haben. Ein Wort gab das andere, und schließlich äußerte er wütend, sie solle das Geschenk behalten, da es ihr offenbar mehr gefiel als alles, was er ihr je gekauft hatte.
Außer sich vor Zorn hatte er den Salon verlassen. Sie hatte ihre Zofe herbeigerufen und ihr aufgetragen, das kostbare Angebinde wieder einzupacken, dem Comte zurückzubringen und ihm ausrichten zu lassen, weitere Geschenke würden nicht mehr angenommen.
Bald nachdem die Zofe gegangen war, hatte Damian sich bei Rosalyn eingefunden und sich für seine Eifersucht entschuldigt. Sie war über sein Einlenken froh gewesen, hatte ihn geküsst und ihm versichert, er sei der einzige Mann, den sie liebe. Er hatte ihr geraten, vor dem Comte auf der Hut zu sein, und hinzugefügt, er könne nicht mehr für sein Handeln verantwortlich gemacht werden, falls dieser sich ihr in unschicklicher Weise näherte.
Seine Miene hatte sie erschreckt, und unwillkürlich war ihr durch den Kopf gegangen, ob er imstande sein würde, den Comte zu töten, falls dieser sich ihr gegenüber vergessen sollte. Sie war sicher gewesen, dass er Mr. Harrington nicht erschossen hatte, doch nun nagten Zweifel an ihr.
In den nächsten Tagen verhielt er sich sehr aufmerksam und war sichtlich bemüht, den entstandenen schlechten Eindruck wettzumachen. Rosalyn überlegte, ob sie ihm mitteilen sollte, dass sie glaube, guter Hoffnung zu sein, unterließ es jedoch, weil sie erst volle Gewissheit haben wollte.
Drei Tage nach dem Abendessen beim Comte war Damian mit dem Prinzen zu einem ziemlich weit entfernten Gutsherrn geritten, der einen angeblich besonders rassigen Hengst verkaufen wollte. Sobald die Adoptionsformalitäten erledigt waren, wollte er nach Spanien aufbrechen und das Pferd mitnehmen.
Rosalyn saß mit Damen aus der Nachbarschaft beim Tee, als der Comte und dessen Schwester zu Besuch kamen. Kurze Zeit später verabschiedeten sich die Damen, und sogar Madame de Levreu zog sich unter einem sehr durchsichtigen Vorwand zurück. Der Comte machte jedoch keine Anstalten, sich ebenfalls zu entfernen. Verärgert plauderte Rosalyn noch einen Moment mit ihm und forderte ihn dann mit dem Bemerken, sie habe Kopfschmerzen und wolle sich ausruhen, zum Gehen auf.
„Offen gestanden, habe ich nicht die Absicht, mit Ihnen allein zu sein“, setzte sie hinzu. „Ihre Avancen sind mir nicht genehm!“
„Was kann ich Ihnen bieten, damit Sie mich wieder anlächeln? Ich selbst und mein ganzes Vermögen stehen Ihnen zur Verfügung, Madame.“
„Ich will nichts von Ihnen“, erwiderte sie erbost. „Bitte, gehen Sie jetzt und behelligen Sie mich nie wieder! Leben Sie wohl“, fügte sie an, drehte sich um und verließ den Salon durch die offene Terrassentür.
Nach einer Weile merkte sie, dass der Comte ihr gefolgt war. Wütend drehte sie sich zu ihm um.
„Haben Sie
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