Ein Mann von Ehre
Ich wollte eigentlich nur zum Ausdruck bringen, wie froh ich darüber bin, dass er die Vergangenheit hinter sich gelassen und ein neues Glück gefunden hat.“
Rosalyn lächelte, um ihre Verwirrung zu verhehlen. Mrs. Forrester hatte ihr bestimmt nicht wehtun wollen. Der Gedanke, dass Damian einst eine junge Frau geliebt hatte, die sich aus Schamgefühl über die Vergewaltigung das Leben genommen hatte, sollte ihr diesen besonderen Tag nicht vergällen. Sie hätte längst erkennen müssen, dass Lord Renshaws Schwester ihm mehr bedeutet hatte, da er sich sonst ihretwegen gewiss nicht duelliert hätte. Sie hatte jedoch nicht geahnt, dass er die Erinnerung an seine verlorene Liebe noch immer im Herzen trug.
Sie fragte sich, ob das von Bedeutung sei, und gelangte zu dem Schluss, es sei nicht wichtig. Sie hatte genügend Beweise dafür, dass Damian sie liebte. Es wäre dumm gewesen, auf diese seit vielen Jahren tote Helen eifersüchtig zu sein. Nein, nein! Rosalyn war viel zu vernünftig, um sich durch etwas so Unwichtiges beeinflussen zu lassen.
„Habe ich Sie mit meinem dummen Gerede beunruhigt?“, fragte Charlotte ängstlich.
„Nein, natürlich nicht“, antwortete Rosalyn und lächelte sie strahlend an. „Ich habe schon seit Langem über diese Helen Bescheid gewusst. Wir sollten jetzt gehen, Mrs. Forrester. Sonst denkt Damian noch, ich sei anderen Sinnes geworden.“
Die Zeremonie dauerte nicht lange. Nur eine Handvoll Freunde, darunter die Forresters, waren anwesend. Als Rosalyn am Arm des Gatten die kleine Kirche verließ, strahlte die Sonne. Die Glocken läuteten, und das Brautpaar wurde mit Rosenblättern beworfen.
Der Empfang wurde in einem eleganten Hotel abgehalten. Nach dem Essen fuhren Damian und seine Gattin in der neuen Kutsche fort, die er für sie gekauft hatte.
Unterwegs neigte er sich zu Rosalyn und küsste sie.
„Bist du glücklich?“
„Ja, sehr!“
Sie lachte. Jetzt war sie die Countess of Marlowe, und das amüsierte sie.
Plötzlich dachte sie daran, dass Damian und ihr der Vorzug gebührte, wenn sie bei einem gesellschaftlichen Anlass auf den Bruder und Beatrice trafen. Wäre sie von Natur aus hämisch gewesen, hätte diese Vorstellung sie zufrieden gestimmt, doch da sie Sinn für Ironie hatte, belustigte sie der Gedanke nur.
„Was erheitert dich?“
„Oh, nichts Besonderes“, antwortete sie. „Mir kam es nur einen Moment lang seltsam vor, dass man mich von nun an mit meinem Titel ansprechen wird.“
„Du wirst dich schon daran gewöhnen“, erwiderte Damian.
Sie ließ das Thema fallen, plauderte mit dem Gatten über andere Dinge und schaute auf die am Wagenfenster vorüberziehende Landschaft. Im Licht der Abendsonne sah sie Felder, kleine Kirchen, Bauernhöfe, verschlafene kleine Dörfer und schließlich den gepflasterten Hof des Gasthauses, in dem sie mit Damian übernachten würde. Am nächsten Tag würde man dann bei dem Haus ankommen, das man in den nächsten Wochen bewohnen wollte, ehe man nach Andalusien weiterreiste.
„Wir sind da, mein Schatz“, verkündete Damian, als die Kutsche auf eine lange Auffahrt abbog. „Ich hoffe, das Haus, das ich ausgesucht habe, wird dir gefallen. Es ist ziemlich alt, aber für unsere augenblicklichen Bedürfnisse gut geeignet. Wir werden nicht sehr lange hier bleiben.“
Rosalyn blickte aus dem Wagenfenster und sah das Gebäude in Sicht kommen.
„Es ist hübsch“, befand sie. „Das ist ein bezauberndes Haus.“
Ein Diener machte den Wagenschlag auf. Damian verließ die Kutsche und half der Gattin beim Aussteigen.
„Ah! Wie ich sehe, hat man uns erwartet.“
Rosalyn schaute auf und sah Prinz Jared sich nähern.
„Ich habe auf Sie gewartet“, sagte er und begrüßte den Earl und die Countess of Marlowe. Die abendlichen Schatten fielen über den alten Hof, und im Licht der untergehenden Sonne sah das Gebäude rosafarben aus. „Es ist schön hier, nicht wahr? Können Sie den Duft der Blumen riechen? Das ist Jasmin. Nachts duftet er besonders stark, Lady Marlowe.“ Jared hielt inne und schaute etwas befangen die Countess an.
Sie beugte sich zu ihm und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Sie gehören bald zur Familie, also verzichten Sie bitte darauf, mich mit meinem Titel anzusprechen. Es genügt, wenn Sie mich beim Vornamen nennen.“
Sie bemerkte, dass ihr Vorschlag dem Prinzen gefiel. Er verneigte sich vor ihr und reichte ihr, jeder Zoll ein gut erzogener junger Mann, höflich den Arm. Ihr fiel auf, dass er sich
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