Ein Mann von Welt
Ich fragte sie, wann wir denn North Hollywood verlassen hatten, und sie sagte, wir wären schon eine ganze Weile nicht mehr dort, wir wären schon durch Valley Village gefahren und wir wären jetzt, sie überlegte kurz, jetzt hätten wir auch schon Sherman Oaks verlassen
und wären gerade in Van Nuys. Ich wälzte das in meinem Kopf ein bisschen hin und her, ich versuchte zu verstehen, wie wir an einen neuen Ort gekommen sein konnten, ohne den alten verlassen zu haben. Ich schaute, wie die Stadt oder die Städte vorüberzogen. Dann teilte mir Tante Liz mit, dass wir in Panorama City angekommen waren. Ich hatte aufgepasst, ich hatte aus dem Fenster geschaut und keinerlei Veränderungen bemerkt, aus meiner Perspektive gab es keinerlei Unterschied, aber scheinbar hatten wir eine ganze Reihe von unsichtbaren Linien überfahren.
Große, voll belaubte Bäume säumten Tante Liz' Straße, sie trafen sich über der Straße und spendeten der Fahrbahn Schatten, sie sorgten dafür, dass die Straßen schattig und kühl blieben, als ob sie die Häuser aus ihrer Gesellschaft ausschließen wollten. Das leuchtete auch ein, die Häuser waren aus totem Holz gemacht, die Bäume aus lebendigem Holz, das Lebendige will mit dem Lebendigen zusammen sein, das Tote mit dem Toten. Es gab hier keine Schilder mehr, es gab nicht mehr überall Sprache, um das Auge zu irritieren, darüber war ich erleichtert. Bei den Häusern, die nicht verputzt waren, blätterte die Farbe ab, was mich an Madera erinnerte, was mich daran erinnerte, wie ich in Madera auf dem Bau gearbeitet hatte, wo die Sonne die Farbe von allen Häusern abblättern ließ, die nicht verputzt waren. Das Haus von Tante Liz war das einzige mit einem Holzzaun davor, die anderen Häuser hatten Drahtzäune, oder Eisen und Backsteine, was ich aus der Perspektive der Instandhaltung gut verstehen konnte. Menschen waren keine zu sehen, niemand
war draußen, in den Fenstern hingen Betttücher und vor den Häusern standen Autos, Autos waren überall, Autos und Trucks, und Wohnwagen, ein Boot, ein Lieferwagen. Viele Häuser hatten Rolltore und die Autos waren hinter den Toren zusammengequetscht, auf dem Rasen und in den Auffahrten, als wäre jedes kleine Grundstück sein eigener kleiner Hafen, alles für einen Sturm festgebunden, aber es kamen gar keine Stürme, eigentlich gab es überhaupt kein Wetter. Wir fuhren in Tante Liz' Auffahrt, sie hatte kein Tor, auf ihrem Rasen standen keine Autos, ihr Rasen war grün, die Halme waren fast zu Tode gemäht. Zwei Häuser weiter sah ich ein in sattem Blau gestrichenes Haus, oder was wie ein sattes Blau aussehen würde, wenn es nass wäre, aber ausgetrocknet und abblätternd sah es mehr aus wie ein sattes Blau unter einer Schicht eingetrockneter Milch, dort war der Rasen vollkommen wild zugewachsen, Dutzende von Gräsern und Pflanzen kämpften um Platz. Ein winziges Fleckchen Wildnis, das respektierte ich, es erinnerte mich an deinen Großvater, ich beschloss, mich diesen Leuten mal vorzustellen, das waren sicher Gleichgesinnte, dachte ich mir.
Als Erstes zeigte mir Tante Liz mein Zimmer, das das Gästezimmer gewesen war, das zuvor für Gäste reserviert war, sagte sie, aber sie sagte nicht, wann hier zum letzten Mal Gäste übernachtet hatten. Der Teppich war pfirsichfarben, die Bettwäsche hatte ein Blümchenmuster, und die Tapete auch, die Tapete war mit Blumen und efeuberankten Säulen gemustert. Sie sagte, sie hoffte, es wäre mir nicht zu femi
nin. Tatsächlich waren diese Einrichtungsmerkmale eine bewunderungswürdige Geste Richtung Natur und boten doch gleichzeitig eine Zuflucht vor den Brutalitäten der Natur, was seit den Zeiten der Höhlenmalerei das Kennzeichen von menschlichen Behausungen ist, alles Paul Renfros Worte, später. Tante Liz sagte, sie war total erschöpft, der Tod deines Großvaters, der Tod ihres Bruders, war ein Schock für sie gewesen, sie würde schlecht schlafen, sie würde jetzt einen Kaffee machen. Sie sagte, sie würde mir auch etwas Kleines zu essen machen, während der Kaffee durchlief, aber bis dahin sollte ich es mir gemütlich machen, ich sollte mich für ein paar Minuten mit meinem Quartier vertraut machen, so nannte sie mein Zimmer.
Ich konnte gleich sehen, dass mein Bett zu kurz war, ich würde meine Füße am Ende heraushängen lassen oder mich zusammenfalten müssen. Ich hatte mein ganzes Leben im selben Bett geschlafen, oder fast mein ganzes Leben, und ich hatte mich an mein Bett gewöhnt, aber ich
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