Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mann von Welt

Ein Mann von Welt

Titel: Ein Mann von Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine Wilson
Vom Netzwerk:
darauf und steckte den Kopf durch die Zugangsklappe. Ich gab Paul die Taschenlampe. Ich muss es gar nicht erst sehen, sagte Paul, ich brauche meine Augen nicht, ich muss nur die Luft einatmen, um festzustellen, dass die Atmosphäre fortschrittlichem Denken höchst förderlich ist. Ideal für die Art von kraftvollen Gedanken, die ich in den nächsten Wochen zusammenzustellen plane.

    Paul hatte schon lange kein anständiges Essen mehr gehabt, er hatte sich zu lang von zu wenig ernährt, er war einer grausamen und ungewöhnlichen Küche unterworfen gewesen, seine Worte. Ich konnte Tante Liz' Speisekammer nicht plündern, ohne Verdacht zu erregen, also schlug ich vor, Paul und ich könnten ins Fastfood-Restaurant gehen, um da et
was zu bekommen, der Drive-in war vierundzwanzig Stunden am Tag geöffnet, ich war sicher, ich konnte da einfach hingehen und was zu essen kriegen, wenn die richtigen Leute arbeiteten, könnte ich uns sogar drin einen Tisch organisieren, schließlich sollte ich bald zum Mitarbeiter des Monats ernannt werden. Aber Paul wollte den Kriechraum am liebsten gar nicht verlassen. Er erklärte, er würde sich hier niederlassen, um jetzt erst einmal länger sein fortgeschrittenes Denken zu entwickeln. Es wäre vielleicht besser, wenn er der Welt sein Gesicht zu diesem Zeitpunkt nicht zeigte. Ich verstand. Ein paar Burger, sagte Paul, und Pommes dazu, bitte. Ich werde hier oben sein und arbeiten und auf deine Rückkehr warten. Vergiss nicht, sagte er, dass du damit auch dem Denken zum Fortschritt verhilfst, und wenn die großen Denker nichts gegessen hätten, wenn den großen Denkern niemand nährende Speisen zur Verfügung gestellt hätte, würden wir immer noch in Höhlen wohnen und nicht in schönen Häusern wie diesem hier.

    Ich schlich zur Haustür hinaus und machte mich auf den Weg zur Bushaltestelle. Der Wind blies und heulte, die Luft war voller Staub und Schmutz, ich wischte die Fiberglasbank mit der Handseite ab und setzte mich und wartete auf den Bus, ich hielt mir mein Fernglas vor die Augen und schaute die Straße rauf und runter. Aber es war zu spät, oder eher gesagt zu früh, es war deutlich nach Mitternacht, und die Busse fuhren noch nicht. Paul hatte schon mal gesagt, er hatte gesagt, die Menschheitsgeschichte ist voller schlechter Ideen, die von hungrigen Denkern weitergeführt wur
den, von Denkern, die, wenn nur ihr Blutzucker höher gewesen wäre, den Irrtum ihres Denkens erkannt hätten. Schau dir die Bibel an, sagte er, das ist nichts anderes als eine lange Chronik der Unterernährung in einem unfruchtbaren Land, die zu lächerlichen Visionen führte, die dann wieder von einer verhungerten Bevölkerung im Ganzen geschluckt wurde. Ich hatte keine Zeit zu verlieren, die Qualität von Pauls Denken stand auf dem Spiel. Ich kannte den Weg, ich wusste, wie man da hinkommt, ich hatte die Landschaft vom Vordersitz im Bus aus gesehen, zu laufen konnte nicht so kompliziert sein. Als ich das erste Mal mit Tante Liz nach Panorama City gefahren war, gab es keinen Unterschied zwischen Panorama City und wo immer wir gewesen waren, bevor wir nach Panorama City kamen, aber mittlerweile erkannte ich Kreuzungen und Geschäfte wieder, und ich hatte inzwischen verstanden, wodurch sich ein Block vom anderen unterscheidet. Alle Kreuzungen hatten mindestens ein kleines Einkaufszentrum, außer es gab da schon eine Tankstelle oder ein Fastfood-Restaurant, und die meisten Einkaufszentren hatten Wein- und Schnapsläden, aber nur in einem gab es eine Metzgerei. Der Weg zu meinem Fastfood-Restaurant ging an dieser Metzgerei vorbei, dann drei Wein- und Schnapsläden, zwei Scheckeinlösebuden, ein Haus, wo jemand einen Sattelschlepper in den Vorgarten gestellt hatte, ein mit Palmen gesäumter Boulevard, und die Filiale einer großen Drogeriekette. Die Straßen waren vollkommen verlassen. Ich hätte die ganze Zeit mitten auf der Straße laufen können.

    Als Junge habe ich manchmal so getan, als hätte eine Katastrophe alle anderen Menschen von der Erde gefegt. Ich malte mir aus, nicht in die Schule gehen zu müssen und stattdessen in die Stadt zu fahren und mir ein schönes Fahrrad aus dem Laden auszusuchen und damit die Gänge im Supermarkt auf und ab zu fahren und alles zu essen, was ich essen wollte. Das endete normalerweise dann, wenn die Stimme deines Großvaters mich daran erinnerte, dass ich nicht allein war, meistens wenn die Stimme deines Großvaters mich zum Frühstück rief. Aber irgendwann hörte er

Weitere Kostenlose Bücher