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Ein Mann von Welt

Ein Mann von Welt

Titel: Ein Mann von Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine Wilson
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auf, mich zum Frühstück zu rufen, er fing an, während dem Frühstück im Bett zu bleiben, und ich konnte weiter so tun als ob, auch wenn ich nicht mehr in meinem Zimmer war, schon aus der Haustür gegangen war, sogar beim Fahrradfahren in die Schule konnte ich so tun als ob, bis ich irgendwo in der Entfernung ein Auto vorbeifahren sah oder jemanden an seinem Briefkasten, der sich die Zeitung holte. Eine Zeitlang war es aufregend, mir vorzustellen, ich hätte die Welt für mich allein. Aber irgendwann ließ das nach, Juan-George, und der Nervenkitzel verwandelte sich in etwas anderes, dann wollte ich spüren, dass andere Menschen in meiner Nähe waren, selbst wenn das bedeutete, dass ich nicht mehr tun konnte, was ich wollte.

    Im Drive-in waren keine Autos, ich ging zum Fenster. Ho saß mit seinem Headset auf der Theke. Vor ihm stand sein Computer, er spielte Videopoker und wartete auf Kundschaft. Er arbeitete mehr Stunden in der Woche als sonst irgendwer, darauf war er mächtig stolz, er witzelte oft, er wür
de nicht gern schlafen, schlechte Träume. Ich klopfte gegen das Glas, es klang nicht wie Glas, es sah aus wie Glas, aber klang wie Plastik. Der Wind blies durch den Drive-in. Ich muss ziemlich verwegen ausgesehen haben, wie ich da mitten in der Nacht am Fenster stand, und meine Klamotten im Wind flatterten, aber falls Ho irgendwie überrascht war, zeigte er es nicht. Er nickte mir zu, bevor ich überhaupt ein Wort gesagt hatte, stand auf und ging zur Seitentür, um mir zu öffnen. Als ich reinkam, sagte er nur hallo und meinte, ich sollte mir einfach nehmen, was ich wollte, ein Typ namens Carlos arbeitete in der Küche, der könnte mir helfen. So war Ho. Wenn man ihm mit ein paar Fritten in der Hand an der Theke zu nah kam, wollte er dich töten, aber wenn man mitten in einer stürmischen Nacht plötzlich auftauchte und wie ein Wahnsinniger aussah, wurde er zum freundlichen Gastgeber. Ich wollte mir ein paar Burger und Fritten unter der Heizlampe wegnehmen, aber Carlos bestand darauf, mir frische zu machen, Carlos sagte, er würde mich nicht diesen Müll essen lassen, der schon die halbe Nacht da rumgelegen hatte und sowieso in der Tonne landen würde, die nächtlichen Säuferhorden wären schon vor Stunden da gewesen. Carlos machte also frische Burger und frische Pommes, und ich wartete. Der Geruch von Essen machte mich hungrig, mir war gar nicht klar, wie hungrig ich war, mein Körper brauchte anscheinend Brennstoff, vor dem langen Nachhauseweg musste ich Nahrung aufnehmen, also aß ich zwei Burger und Fritten dazu. Dann machte Carlos noch eine Portion, die ich mitnehmen konnte. Ho konzentrierte sich die ganze Zeit auf sein Videospiel, er bewegte sich kei
nen Zentimeter von seinem Computer weg. Was zu dem Gefühl beitrug, dass die Zeit einfach stehengeblieben war.

    Draußen hatte der Wind sich etwas gelegt und die Richtung geändert. Langsam sah man ein paar Menschen auf den Straßen, auch Autos. Es war nicht mehr lang bis zum Sonnenaufgang. Ich ging, so schnell ich konnte, ich machte größere Schritte, um die Burger und Pommes so schnell wie möglich zu Paul unters Dach zu bringen. Ich rannte nicht, Juan-George, ich renne nie, denn wenn du rennst, jagen dich die Leute. Leute und Tiere. In jedem Fall ist es besser, größere Schritte zu machen. Als ich dann wieder zu Hause ankam, nachdem ich so viel Zeit gebraucht hatte, um zum Fastfood-Restaurant hin und zurück zu laufen, und auch noch länger aufgehalten wurde, weil Carlos darauf bestand, mir frische Burger und Fritten zu machen, und vielleicht auch, weil ich selbst noch essen musste, hatte Tante Liz sich schon am Küchentisch niedergelassen, wo sie Kaffee trank und die Zeitung durchblätterte, immer eine Seite nach der anderen, die sie ganz las und dann umblätterte. Sie lebte nach der Philosophie, früh in die Federn, früh aus den Federn, was nicht nur allein ihre Philosophie war, sondern schon von irgendwoher stammte. Von ihrem Platz aus konnte sie die Haustür sehen, sie konnte sehen, wie ich durch die Haustür reinkam und dabei versuchte, so leise wie möglich zu sein, und der Ausdruck in ihrem Gesicht war blankes Entsetzen. Sie schrie, sie hätte gedacht, ich wäre ein Einbrecher. Ich sagte, dass Einbrecher normalerweise nicht durch die Haustür reinkommen. Sie wollte wissen, wo ich gewesen war, sie
dachte, ich wäre in meinem Zimmer, sie dachte, sie hätte mich da gehört, wie ich mich im Schlaf wälzte, sie wollte mich wecken, wenn sie mit

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