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Ein Mann von Welt

Ein Mann von Welt

Titel: Ein Mann von Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine Wilson
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dehydrieren, so dass sein Denken klar und produktiv war statt wahnhaft und falsch.

    Nachdem ich ihm alles gebracht hatte, was er brauchte, erklärte ich kategorisch, dass ich unmöglich zur Arbeit gehen konnte. Ich hatte sehr sorgfältig über Tante Liz' Plan für mein Leben nachgedacht, ich hatte eine klinische Studie durchgeführt, um ihren Plan zu testen, jedenfalls größtenteils, und ich hatte festgestellt, dass er mangelhaft war, ich hatte festgestellt, dass alle seine Aspekte ungenügend waren, ich musste also so schnell wie möglich an meinen ursprünglichen Plan und sein Ziel anknüpfen: nach Panorama City kommen, ein Mann von Welt werden, und dann nach Madera zurückkehren und Carmen wiederfinden. Paul erinnerte mich daran, dass es eine Zeit zum Planen und Bedenken sei, nicht zum Verwirklichen. Paul sagte, ohne diese Unterkunft, ohne seine Klause, seine Worte, hätte er keine Chance, sein Denken voranzutreiben. Er könnte nicht riskieren, seine
Kräfte mit juristischen Auseinandersetzungen zu verpulvern. Wenn ich ihm wirklich helfen wollte, so sagte er mir, müsste ich zur Arbeit gehen, ohne irgendeinem Verdacht Vorschub zu leisten, was bedeutete, es tat ihm leid, mir das sagen zu müssen, dass ich so tun müsste, als ob Tante Liz' Plan hervorragend für mich funktionieren würde, als würde die Leuchtturmgemeinde meine spirituellen Bedürfnisse erfüllen, als würde Dr. Rosenkleig irgendeine Art von Fortschritt machen, wie immer er das auch messen wollte, als täte ich nichts lieber, als Pommes frites für Leute zu machen, denen kaum bewusst zu sein schien, dass sie aßen. Tante Liz klopfte wieder. Paul sagte, schaff es heute durch den Tag, und am Abend werden wir alles in Ordnung bringen, heute Abend arbeiten wir an deinem Plan, ein Mann von Welt zu werden. Ich hatte keine Zeit, zu duschen, ich dusche gern jeden Tag, aber ich hatte keine Zeit, ich zog mir schnell meine Uniform vom Fastfood-Restaurant über und ging aus dem Haus. Tante Liz fuhr mich zur Arbeit, wo ein Mann mit Halbglatze und Walrossschnurrbart auf Taschen voller Ausrüstung saß und darauf wartete, mich als Mitarbeiter des Monats zu fotografieren.

    Und deshalb wirst du, wenn du mal meine alten Sachen durchstöberst, was du sicher machen wirst, ich mache dir da keine Vorwürfe, schau dir ruhig die paar Sachen an, die ich zurückgelassen habe, das meiste davon gehörte einmal deinem Großvater, ich war nie ein großer Sammler, außer vielleicht von Fahrrädern, jedenfalls wirst du dann, wenn du mich als Mitarbeiter der Woche auf einem Foto siehst –
sie haben mir einen Abzug geschenkt, ungerahmt –, dann wirst du mich anschauen, deinen Vater, und du wirst denken, dass da etwas fehlt. Was da fehlt, bin ich selbst, ich meine, mein Körper ist drauf, mein Gesicht, meine Uniform, das alles, aber in meinem Inneren bin ich nicht anwesend. Ich habe schon mal erwähnt, dass dein Großvater immer gesagt hat, er wäre nur ein Passagier in seinem Körper. Ich habe nie richtig verstanden, wovon er redete, bis ich dieses Bild von mir als Mitarbeiter des Monats sah, aufgenommen an dem Tag, als Paul Renfro unter Tante Liz' Dach zog. Ich bin sicher, andere hätten das besser machen können, ich bin sicher, andere hätten ein überzeugenderes Lächeln aufsetzen können, ich bin sicher, es gibt Menschen, die ihrer täglichen Arbeit im Dienste von irgendetwas nachgehen können, das überhaupt nichts mit ihnen zu tun hat, die ihr Denken in der Hoffnung auf späteres Denken ausschalten, aber ich habe keine Ahnung, wie sie das machen. Nur so zu tun, als ob man leben würde, kann vorkommen, Juan-George, aber ich tauge nicht dafür.

    Ich hatte den ganzen Tag Angst, man würde mich durchschauen und merken, dass ich allen nur eine Pantomime vorspielte, und Verdacht schöpfen, dass ich etwas verbarg, und dann Paul Renfro unterm Dach entdecken. Aber Roger Macarona merkte nichts. Melissa merkte nichts. Wexler merkte nichts. Harold, den sowieso nichts anderes interessierte als seine Fingerspitze, merkte nichts. Die Kunden merkten ganz bestimmt nichts. Tante Liz, die mich nicht nur zur Arbeit fuhr, sondern mich auch wieder abholte, um mich zu Dr. Ro
senkleig zu fahren, merkte nichts. Sie fragte mich nur, ob die Tüte vom Fastfood-Restaurant, die ich in der Hand hatte, dieselbe wäre wie die heute Morgen, ich sagte, natürlich nicht, sie sagte, sie würde stinken, und ich stellte meinen Sitz ganz zurück. Aber bestimmt würde zumindest Dr. Rosenkleig etwas merken. Das

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