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Ein Mann von Welt

Ein Mann von Welt

Titel: Ein Mann von Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine Wilson
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Kassette 7, Seite a & b
    LAUFBURSCHE
    Mein Freund, sagte er, ich brauche deine Hilfe. Er stand vor dem Fenster, mit seinem Aktenkoffer in der Hand, und schaute mich mit diesem Blick eines frisch geschlüpften Krokodils an, dieses winzige Lächeln in den Mundwinkeln, als wäre alles vollkommen normal, als hätten wir uns gerade vorgestern erst gesehen, als wäre das eine ganz normale Art, jemanden zu besuchen, mitten in der Nacht ans Schlafzimmerfenster zu klopfen. Ich fragte ihn, wo er gewesen war. Er wedelte mit der Hand in der Luft rum und erklärte, er musste sich von seinen Immobilienproblemen befreien, damit meinte er seine Penthouseterrasse und das Bebauungsamt, und er musste durch eine Reihe von Reifen springen, so beschrieb er das, bis er wieder seiner Berufung nachgehen konnte. Reifen, seine Worte, die nur arrangiert wurden, um jede Art originellen Denkens und Handelns seitens einer Einzelperson zu behindern. Er war in der glücklichen Lage, genug praktisches Wissen zu haben, so nannte er das, um alle diese Reifen zu meistern, sonst stünde er jetzt nicht vor meinem Fenster, sondern würde in irgendeiner Zelle verschimmeln, während die Menschheit an ihrer eigenen Dummheit zu Grunde gehen würde. Denk nur an Galileo, seine Worte. Er machte sich daran, durchs Fenster zu klettern, aber ich schickte ihn zur Haustür. Tante Liz war praktisch ohnmächtig mit ihren Schlaftabletten, ihrer Schlafmaske und der Naturgeräuschemaschine. Er trug einen dunkelblauen Anzug mit einem gebügelten weißen Hemd und einer gestreiften
Krawatte, im Licht der Lampe sah er aus wie ein Geschäftsmann, oder er hätte so ausgesehen, wenn ihm die Sachen gepasst hätten, die Hose war hochgerollt und die Ärmel des Jacketts gingen ihm weit über die Handgelenke. Seine Aktentasche war immer noch aus Pappe, sie war aber entweder mal saubergemacht oder ersetzt worden. Er setzte sich auf meinen Schreibtischstuhl und erklärte, die Phase seines Lebens, die mit der Antioxidationscreme geendet hatte, war jetzt endgültig vorbei, dass er sich verändert hatte, dass er jetzt den anständigen Weg nehmen würde. Alles andere war denjenigen gegenüber unfair, die am meisten von seinem Denken zu erwarten hatten, also die Menschheit. Ich muss das Persönliche beiseitelassen, sagte er, hier geht es nicht um mich, bei nichts von alledem geht es um mich, ich bin nur ein bescheidener Repräsentant meiner Spezies auf diesem Planeten, ich habe nicht mehr Recht, mich als Einzelperson ins Rampenlicht zu rücken, als eine Blattlaus. Ich habe kein Bedürfnis, sagte er, mich aus der Menschheit herauszuheben, ich bin ein bescheidener Diener, ein bescheidener Diener der Zukunft der Menschheit, und ich bin jetzt, in dieser Phase der Klarheit, in dieser Phase der absoluten und vollkommenen Klarheit, in dieser Phase, die so klar ist, dass ich zweimal in der letzten Woche durch feste Gegenstände hindurchgesehen habe, ganz und gar entschlossen, meine Fähigkeiten für das Gute einzusetzen, und nur für das Gute, was ich mehr oder weniger zuvor auch getan hatte, was ich ja mein ganzes Leben schon tue, was aber manchmal durch ein klein wenig Egoismus meinerseits behindert wurde, einer winzigen klitzekleinen Portion Egoismus, die ich
nun ausradiert habe, sagte er. Dann fragte er mich, wie ich mich in Panorama City eingelebt hätte.

    Ich erzählte ihm alles. Ich werde jetzt nicht alles wiederholen, ich erzählte ihm alles, was ich dir erzählt habe. Danach erklärte er mir, egal, wie ich mich damit amüsieren würde, aber Pommes frites für aufbrausende Menschen zu machen wäre eine Zeitverschwendung, und Dr. Rosenkleig wäre überhaupt nicht an meiner wissenschaftlichen Analyse von irgendetwas interessiert, er versuchte nur, mein Verhalten zu ändern, und zwar mit Hilfe von Techniken, die ursprünglich von Watson, Pawlow, Skinner und anderen entwickelt wurden. Paul sagte, Dr. Rosenkleig würde sich hinter der Maske der Professionalität verstecken und mit Hilfe der Sprache der Wissenschaft jeden interessanten Teil von mir abtragen und diese Teile durch ein vorgefertigtes System ersetzen, ein Programm, ein Computerprogramm, aber für das Gehirn, eine Reihe von Gedanken und Verhaltensweisen, die dann vom Aufwachen bis zum Einschlafen in mir ablaufen würden, so dass ich am Ende das vage Gefühl haben würde, nicht mein eigenes Leben zu leben, sondern ein Schatten meiner selbst zu sein, durch meine Tage zu schlafwandeln, bis zu meinem Tod. Und was die Leuchtturmgemeinde

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