Ein Mann wie ein Erdbeben
Der Geschäftsführer lächelte unverbindlich. »Ich gebe Ihnen rechtzeitig Nachricht, Herr Barreis.«
Bob trank seinen zweiten Wodka und beobachtete die Go-go-Girls bei ihren rhythmischen Verrenkungen. Zwei ältere Knaben kamen bereits in Stimmung und belästigten eine der Kellnerinnen. Der Geschäftsführer eilte zu ihnen, um die Erklärung abzugeben, das hier sei ein seriöses Lokal und keine Nahkampfdiele.
Marion Cimbal legte ihre Hand auf Bobs Schulter und beugte sich zu ihm über die Theke. Er drehte den Kopf nicht zu ihr, sondern betrachtete weiter die tanzenden Girls.
»Was wollte er?« fragte sie leise.
»Wer?«
»Mario, unser zweiter Chef?«
»Er trägt mich Säugling in das Körbchen des Clubs …«
»Bob!« Marions Griff verstärkte sich. Es wurde wie ein Festkrallen an seine Schulter. »Tu es nicht. Bitte. Wenn … wenn du mich wirklich ein bißchen lieb hast … wenn das vorhin nicht alles gelogen war … Geh vorher weg. Ich … ich geb' dir den Schlüssel zu meiner Wohnung. Ich hab' jetzt ein Apartment, wirklich gemütlich. Ich geb' dir den Schlüssel, und du wartest auf mich. Bitte –«
»Tschocky und Wendeburg sind dabei und Hallemann und Vordemberg.«
»Eben! Kennst du sie?«
»Einige sehr gut. Die anderen reizen mich, sie kennenzulernen.«
»Du kommst wieder in den Strudel hinein, Bob!«
»Ich war nie draußen, Süßes. Ich bin nur an der Oberfläche geschwommen.« Er schob seine Hand nach hinten. »Den Schlüssel, Marion.«
»Hier.« Er spürte, wie er auf seine verpflasterte Hand fiel, schloß die Hand und steckte sie in die Rocktasche. »Du gehst also nicht in den Club, Bob?« Marions Stimme klang voll Hoffnung.
»Ich werde nur kiebitzen. Und dann komm' ich zu dir. Hast du Angst?«
»Ja.«
»Um mich?«
»Auch.« Marion preßte das Gesicht an seine Schulter. »Ich möchte einmal hier raus, Bob. Ich möchte das alles von mir waschen wie Dreck. Mich kotzt das alles an. Nacht für Nacht sich ausstellen wie eine Preiskuh, diese schwitzenden, besoffenen, geilen Männer, dieser Lärm, der Rauch, der Alkoholdunst … und immer lächeln, die ganze Nacht lächeln, auch wenn sie dir in die Bluse greifen und unter den Rock langen und mit dir reden wie mit dem letzten Dreck. Ich will einmal hier raus, Bob.«
»Aber du verdienst gut dabei.«
»Das ist das einzige Gute.«
»Wir sprechen über alles nachher … bei dir …« Bob Barreis blickte interessiert auf die Tür. Fritz Tschocky betrat gerade das Lokal. Der Geschäftsführer rannte auf ihn zu und redete auf ihn ein. Jetzt spricht er von mir, dachte Bob vergnügt, denn er sah, wie Tschocky zu ihm hinschielte. Gott zum Gruße, Fritz. Tu nicht so, als wenn du mich nicht kennst. Vor einem Jahr haben wir in Bredeney vier Mädchen vernascht. Das war eine Schwerstarbeit, mein Junge. Bei der vierten wärst du bald aus den Latschen gekippt, aber als wir anderen dir applaudierten wie einem Schauspieler, bist du doch noch über die Runden gekommen. Hallo, Tschocky …
Bob Barreis stieg von seinem Barhocker, steckte die Hände in die Hosentaschen und kam langsam auf Tschocky zu. Auch Tschocky kam ihm entgegen und lächelte breit.
»Welche Bereicherung für Essen!« sagte er als erster. »Willst du hier ein kleines St. Tropez aufbauen?«
»Vielleicht, Tschock!« Barreis' Engelsgesicht leuchtete. »Mir scheint hier tiefste Provinz zu sein.«
»Du kennst nicht den Club.«
»Deine Schuld.«
»Man kann es nachholen.«
Sie nickten sich zu, drängten sich durch die Tanzenden und verschwanden hinter einer Tür im Hintergrund von ›Pedros Saloon‹.
An der Bar verschüttete Marion Cimbal drei Whiskys, so heftig zitterten ihre Hände.
Sie lagen auf langen, gepolsterten Bänken an den Wänden und warteten auf den Beginn der ›Reise‹. Das Licht war gedämpft, rötlich getönt und von einer fast schmeckbaren Süße. Irgendwo in einer Ecke spielte ein Tonband Musik aus ›Hair‹, aber nicht laut, auch hier wie in Watte gepackt, ein Summen mehr, das in die Hirnwindungen kroch.
Sie waren sieben Männer und drei Mädchen, hatten sich die Jacken ausgezogen und die Mädchen die Kleider, rauchten stumm ihre Zigaretten und lauschten nach innen. Tschocky hatte die kleinen Zuckerstückchen mit dem LSD verteilt … aus einer silbernen Dose, fast feierlich, als sei es ein Abendmahl des Teufels und der Zucker die Hostie der Hölle. Bob Barreis lag in der Mitte der langen Bank. Neben sich hielt er Marion umfaßt, die sich an ihn schmiegte und zitterte, als
Weitere Kostenlose Bücher