Ein Mann wie Mr Darcy
stimmt Rose zu und schlürft ziemlich laut, als wollte sie ihre Worte unterstreichen. »Auch wenn der Tee, den sie einem hier vorsetzen, natürlich grauenhaft ist.«
»Ach ja?«, sage ich und ignoriere meinen Kater, der nach einem Kaffee lechzt.Wie gesagt, ich bin ganz wild darauf, all diese englischen Gebräuche auszuprobieren, und Tee gehört nun einmal dazu.
Ich greife nach der Teekanne und schiebe meine Finger umständlich durch den zarten Porzellangriff.Vorsichtig halte ich sie von mir gesteckt, während ich an das erste Mal denken muss, als ich das neugeborene Baby meiner Cousine Lisa auf dem Arm hatte: auf Armeslänge entfernt, voller Angst, ich könnte es fallen lassen und kaputtmachen. Sie ist überraschend schwer – die Teekanne, nicht das Baby -, und mein Handgelenk bebt. Der Alkohol in meinem Blut hat mich zusätzlich zittrig gemacht, was der Sache nicht gerade dienlich ist.
»Und?«
»Mmmmh, köstlich«, erkläre ich, nachdem ich einen Schluck von der dünnen, mit Milch versetzten Flüssigkeit genommen habe.
Gott, ich würde töten für einen anständigen Becher Kaffee von Starbuck’s.
Rose schürzt die Lippen. »Ich meine nicht den Tee«, tadelt sie. »Ich meine Ihr …«, sie zögert, wählt ihre Worte mit Bedacht, »... Zusammentreffen.«
Meine Güte, wie züchtig. Hinter der dröhnenden Stimme und dem dicken Lidstrich verbirgt sich nichts als eine reizende kleine alte Dame, denke ich voller Zuneigung. »Nichts passiert. Es war absolut unschuldig«, versichere ich.
»Ich bin sicher, dass es das war«, bestätigt sie nickend. »Aber lassen Sie mich Ihnen eines sagen: Männer sind niemals unschuldig in ihren Gedanken.«
Ich unterdrücke ein Lächeln. Bestimmt wird sie mich gleich vor den Gefahren der Männer warnen und mich ermahnen, meine Ehre nicht zu verlieren.Wie niedlich.
»Ich war auch mal jung, wissen Sie.«
Freundlich nickend mache ich es mir auf meinem Stuhl bequem. Was für eine Freude. Rose wird mir Geschichten von Minne und Romantik erzählen.Vom romantischen Werben mit handgeschriebenen Liebesbriefen und Gedichten, rezitiert unter einer ausladenden alten Eiche …
Szenen aus Romanen kommen mir in den Sinn, und ein sehnsüchtiger Schmerz durchzuckt mich. Oh, wie schön muss es gewesen sein, damals jung und alleinstehend zu sein.
»Lange, bevor ich eine berühmte Schauspielerin wurde, habe ich Larry kennen gelernt, meinen ersten Mann …«
Überrascht horche ich auf. Ihren ersten Mann? Wie viele Männer mag sie wohl gehabt haben?
»… er war als US-Soldat während des Krieges hier stationiert …«
Wusste ich es doch. Das erklärt es.Wahrscheinlich ist er im Kampf gefallen, und sie ist noch jahrelang mit gebrochenem Herzen zurückgeblieben. Mit Sicherheit hat sie erst viel später wieder geheiratet, um nicht allein zu sein, doch ihre erste Liebe hat sie nie vergessen, jene zärtlichen Momente, die sie geteilt haben, das langsame, süße Werben.
»… Ich war erst neunzehn …«
Ich wusste es.
»… und hatte noch nie einen Penis gesehen …« Meine Träumerei wird jäh unterbrochen. Moment mal, hat sie gerade Penis gesagt?
»… ich war so etwas wie ein Spätzünder.Tilly, meine beste Freundin, hatte es schon längst mit ihrem Freund getan …«
Nein. Bitte. Nein. Da muss ein Irrtum vorliegen.Was ist mit den handgeschriebenen Liebesbriefen?
»… mehrmals sogar. Missionarsstellung und von hinten …«
Arrggh.
»… das war ein ziemlicher Schock, das kann ich Ihnen sagen.«
Um Himmels willen. Aufhören. Ich habe einen Kater.
»… alles, was mich damals interessiert hat, war, ein Paar Nylonstrümpfe in die Finger zu bekommen, während Larry nur eines im Sinn hatte: Seine riesigen Ohio-Hände auf meinen …«
»Komplettes englisches Frühstück?« Wie ein weißer Rüschenengel erscheint die kleine Serviererin plötzlich wieder am Tisch.
Ich breche vor Erleichterung beinahe in Tränen aus. Gott sei Dank. Ich hätte keine Sekunde länger durchgehalten.
»Ja bitte … oh, Danke.« Dankbar lächle ich, als die Kellnerin einen riesigen Teller vor mir abstellt.
Und damit meine ich riesig.
Mein Magen rebelliert.Wow, ziemlich viel zu essen für eine einzige Person. Nervös starre ich auf den glänzenden Berg aus Eiern,Würstchen, Schinken, Bohnen und irgendeiner Art Pastete. Ganz zu schweigen von den Toastscheiben. Und da heißt es, wir Amerikaner würden große Portionen verdrücken?
»Na los, sitzen Sie nicht einfach nur da und starren es an.
Hauen Sie rein«,
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